Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
über die sich ihr gemeinsamer Chef Tom so gerne lustig machte. Britta war zwar zwanzig, aber wenn sie irgendetwas erstaunte oder überraschte, dann verliehen ihr ihre weit aufgerissenen Augen das Aussehen eines dreijährigen Kindes, das nicht glauben kann, dass Mami ihm vor der Supermarktkasse den Lolli nicht kaufen mag.
„ Nein, wirklich, Britta, es stimmt! Auf meinem Bett liegt ein rosa Teddybär“, sie sah hinüber zu dem aufrecht auf ihrem Kopfkissen thronenden Plüschtier, „und wenn ich auf ein rosa Plastikherz drücke, kommt sofort meine persönliche Sklavin Rachel angerannt, um mir jeden Wunsch von den Augen abzulesen!“
Britta seufzte hörbar: „Hast du’s gut! Hier ist es genau umgekehrt: Hier drücken immer die anderen auf den Knopf, und ich bin die, die rennt, jedenfalls tue ich seit gestern Nachmittag nichts anderes, als für drei Leute all das zu erledigen, was sie eigentlich seit Wochen selbst hätten erledigen sollen. Aber du weißt ja,“ sie seufzte wieder, „ich kann doch keinen hängen lassen.“
„ Ja, Schatz, wenn wir dich nicht hätten, gäbe es unsere Sendung vielleicht schon gar nicht mehr. Das meine ich völlig ernst. Pass gut auf dich auf, sonst beutet dich unsere Studiohyäne Margot völlig aus, während ich weg bin!“
Margot moderierte den Shop, in dem den Zuschauern täglich zwei Stunden lang von der elektrischen Nagelfeile über die Brotbackmaschine und Diamantohrringe bis hin zum als Banane getarnten Vibrator zu überteuerten Preisen alles angeboten wurde, was man in normalen Läden noch nicht einmal zu Schleuderpreisen loswerden würde. Margot war ein Biest, das wusste jeder im Sender, und wer Wert auf seinen Seelenfrieden legte, hielt sich möglichst weit von ihr fern. Margot hatte noch eine Rechnung bei Melanie offen, genauer gesagt: zwei. Sie hatte Melanie nämlich schon zwei potenzielle Liebhaber ausgespannt, und wegen einem von ihnen war Melanie ganz besonders sauer. Seine Blicke aus Augen, die so schwarz waren wie der Espresso bei Frankfurts bestem Italiener, hatten Liebesnächte verheißen, die vermutlich kosmische Grenzen gesprengt hätten.
„ Ich pass schon auf mich auf, keine Sorge, Melanie!“ Britta lachte über das Wort Studiohyäne. „Aber sag’ mal, wie ist es sonst so, da bei dem Sender? Sind die Kollegen okay?“
„ Ich habe sie ja leider nur ganz kurz kennengelernt, aber der Typ, der mich zur Schönheitsfarm gefahren hat, hat mich umfassend über jeden aufgeklärt. War ziemlich interessant!“
Melanie musste bei dem Gedanken an Barrys kreativen Einsatz von Bananen und Melodys jungfräuliche Puffärmelchen grinsen.
„ Ich werde dir das demnächst alles ganz ausführlich schildern, okay? Ich muss mich jetzt über die Unterlagen hermachen, die ich im Sender bekommen habe. Ich soll nämlich zusammen mit May Fisher ein ganz neues Konzept umsetzen, und da steht drin, was genau das sein soll.“
Melanie griff nach der grünen Mappe, die vor ihr auf dem Schreibtisch lag.
„ Also, Brittilein, mach’s gut, und grüße alle von mir. Ich melde mich bald wieder, okay?“
„ Okay, Melanie! Pass gut auf dich auf! Ich bin schon so gespannt darauf, dich als Moderatorin aus New York zu sehen! Bussi! Ciao!“
Als Melanie aufgelegt hatte, fiel ihr ein, dass sie ja noch Thomas anrufen musste. Widerwillig griff sie noch einmal zum Hörer, innerlich schon wieder gerüstet für eine unerfreuliche Auseinandersetzung. Nach dem fünften Rufzeichen schaltete sich die Mailbox ein. Thomas war also wieder einmal beleidigt. Melanie beschloss, gar nicht auf ihr letztes Telefonat einzugehen, hinterließ nur ein paar unverbindliche Sätze über ihren Aufenthaltsort, das Wetter und ihr Befinden und legte dann hastig und erleichtert auf.
Nach einem tiefen Atemzug schlug sie die erste Seite der grünen Mappe auf. Das Video würde sie sich später anschauen.
Eine ganze Stunde später klappte sie die Mappe betont langsam zu. Sie konnte nicht wirklich glauben, was sie da gelesen hatte. Und sie spürte ein überwältigendes Verlangen, sich in die nächstbeste Maschine nach Frankfurt zu setzen, notfalls als blinder Passagier zwischen Koffern, Kisten und anderen blinden Passagieren. Stattdessen ging sie ins Badezimmer und ließ sich in der Wellnessmuschel so lange mit Wasserstrahlen, aromatischen Duftessenzen und entspannenden Sphärenklängen überfluten, bis ihr überreiztes Nervensystem sich einigermaßen beruhigt hatte.
* * *
Melanie war bereits um 6 Uhr wieder
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