Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
nicht da! Ist das nicht toll, wie schnell die Misshandlung, äh –“, sie musste selbst lachen über den Freud’schen Fehler, der ihr da unterlaufen war, „Behandlung, meine ich natürlich, bei Ihnen anschlägt?“
Melanie hatte die Falte auch schon entdeckt, der besonders hell ausgeleuchtete Spiegel in ihrem Badezimmer erlaubte nicht dem kleinsten Fältchen, sich zu verstecken, und so wie sie früher begeistert gewesen war, wenn der prüfende Blick ihr ein faltenfreies Gesicht gezeigt hatte, so war sie es jetzt beim Anblick des feinen Gitternetzes, das sich bevorzugt um Augen und Mund legte und am Hals in sanften Ringen auslief.
„ Und Sie haben schon fünf Kilogramm zugenommen! Ich wette, bis zu Ihrer Abreise übermorgen wird es noch mehr sein. Ist das nicht wunderbar?!“
Vor Begeisterung fiel Madame Beauté aus ihrem reizenden französischen Akzent heraus. Unter den dehnenden, klopfenden und streichelnden Händen von Madame Beauté war zwischen ihnen ein so vertrauensvolles, fast schon intim zu nennendes Verhältnis gewachsen, dass Melanie am vierten Tag schließlich ein Geheimnis erfahren hatte: Madame Madeleine Beauté war weder Französin noch sprach sie Französisch, geschweige denn, dass ihr Fuß jemals französischen Boden berührt hatte, und sie hieß ganz schlicht und einfach Triny Carmichael und kam aus einem gutmütig verschlafenen Nest in Illinois, wo sie bis vor wenigen Monaten noch schlecht gebrühten Kaffee an schlecht gelaunte Fernfahrer ausgeschenkt und für einen Dollar Trinkgeld großzügig darüber hinweggesehen hatte, dass man ihr im Vorbeigehen in den Hintern kniff. Ihr reizender französischer Akzent war ihr auf Kosten des Mermaid in einem vierwöchigen Kurs an einer mittelklassigen New Yorker Schauspielspiele antrainiert worden – außerordentlich erfolgreich, wie Melanie fand.
Und mit den anderen „internationalen Schönheitsspezialisten“ des Mermaid war es ganz genauso: Die römische Faltenspezialistin Carlotta Ferrari kam in Wirklichkeit aus Tennessee, wo sie sich beim Bullenrodeo neben diversen anderen knöchernen Teilen auch die Nase so günstig gebrochen hatte, dass sie sich fortan problemlos als Römerin ausgeben konnte. Den italienischen Akzent hatte sie in besagter Schauspielschule ebenso schnell gelernt wie Triny den französischen.
Malkanthy Indra, die Spezialistin für ayurvedische Behandlungen, hatte zwar wenigstens eine indische Urgroßmutter und einen aus der Kolonialzeit stammenden britisch verfälschten indischen Vornamen, aber noch vor sechs Monaten hatte sie gelangweilten New Yorker Geschäftsmännern den Rücken und vorzugsweise tiefer liegende entspannungsbedürftige Körperteile massiert, bis eines Tages der Manager des Mermaid unter ihren Händen feststellte, dass sie die ideale Besetzung als Ayur-Veda-Ärztin in seinem exklusiven Beauty-Spa war. Von der altindischen Heilkunst des Ayur Veda hatte sie zum ersten Mal gehört, als man sie eine Woche vor ihrem offiziellen Dienstantritt zu einem dreitägigen Intensiv-Schnellkurs bei einem ununterbrochen Betelnüsse kauenden dicken alten Inder schickte, der ihr drei Listen mit Kräutermischungen aushändigte und den Rest der Zeit mit ihr auf dem abgewetzten Diwan die einzelnen Stellungen des Kamasutra praktizierte. Danach besaß sie zwar nur bescheidene Kenntnisse in der altindischen Heilkunst, aber dafür reichhaltige Erfahrung in der altindischen Liebeskunst und vor allem ein wirkungsvoll mit Goldlettern verziertes Diplom als Ayur-Veda-Ärztin. Dass sie ab und zu die Kräutermischungen etwas durcheinanderbrachte, förderte ihrer Ansicht nach eigentlich nur die Kreativität und möglicherweise ja auch die Wirksamkeit der Behandlungen. Jedenfalls waren Management und Klientel begeistert von ihren diplomierten Fähigkeiten.
Melanie war von Trinys Vertrauensbeweis gerührt, denn sie vermutete, dass es sie zwar nicht den Kopf, aber auf alle Fälle die Stellung kosten würde, wenn die Öffentlichkeit von diesen Ungeheuerlichkeiten Wind bekäme. Der erlesenen Klientel würde sich vermutlich ganz von selbst die Haut kräuseln, wenn ihr zu Ohren käme, dass die angeblich extra für sie aus allen Teilen der Welt eingeflogenen Schönheitsspezialistinnen in Wirklichkeit Bullenbändigerinnen, Kellnerinnen in Fernfahrerkneipen und Masseusen waren, die nach den Weichteilen ihrer männlichen Kundschaft nun die Gesichter der weiblichen Mermaidklientel kneteten.
Außerdem hatte Triny ihr von ihren Erfahrungen mit echten und
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