Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
„Champagnerkater“, „Ehekrach“, „Endlifecrisis“ und „Faltenphobie“. So hatte sie in der Regel jeweils genau die richtigen hilfreichen Sätze parat, um ihrer Mutter innerhalb weniger Minuten wieder zu hervorragender Laune zu verhelfen.
„ Meine Kronjuwelen sind weg, Kind!“
Das klang so jämmerlich, dass Melanies Besorgnis zunahm.
„ Was für Kronjuwelen, Mama?“
„ Du weißt doch, Schatz: mein wunderschönes Strasscollier, das mit dem großen facettierten Herzen in der Mitte!“
Es hörte sich an, als würde sie jeden Moment anfangen zu weinen.
„ Du kannst dir gar nicht vorstellen, was das bedeutet, Melanie! Wenn ich das nicht spätestens in einer Woche wiederhabe, dann“, sie schwieg vielsagend, durch den Hörer drangen nur noch das an- und abschwellende Rauschen der Leitung, dann das Rascheln eines Papiertaschentuchs und ein Schnauben, mit dem man sicherlich eine ganze Gnuherde hätte vertreiben können.
„ Jetzt mal ganz langsam, Mama! Also – dein Strasscollier ist verschwunden. Und was ist so schlimm daran? Ich kann dir doch einfach ein Neues schicken, wenn du so daran hängst!“
„ Deshalb rufe ich dich ja an!“ jammerte sie. „Aber es ist doch nicht, weil ich so sehr daran hänge, Melanie. Es ist, weil“, sie senkte die Stimme, als habe sie soeben festgestellt, dass sich zahlreiche Ohren wie Saugnäpfe an ihre Tür pressten, „das Collier und die Straußenfederboa die Zeichen meiner Macht als Königin sind. Damit habe ich doch damals O’Bambuu und sein Volk so beeindruckt. Das muss ich immer bei allen offiziellen Feierlichkeiten tragen, so wie er seine Krone und seine Tigerzahnkette und das Leopardenfell. Wenn man das verliert, hat man seine Macht und seine Würde verloren. Und in einer Woche findet hier das große Vollmondritual statt, da muss ich dabei sein, und zwar mit Collier und Boa, sonst ...“ Sie schnäuzte sich wieder heftig und stieß einen tiefen Seufzer aus.
Das Strasscollier und die pinkfarbene Straußenfederboa, mit denen sie Marlene Dietrich imitierte, als wertvolle Kronjuwelen! Melanie wäre fast in einen Lachanfall ausgebrochen, als sie sich ihre Mutter im langen Glitzerkleid mit Strasscollier und Federboa in der afrikanischen Steppe vorstellte, hinter ihr ein paar schwanzwedelnde Watussirinder, die mit großen feuchten Augen neugierig in die Kamera glotzten.
Bea Vetter hatte ganz einfach ein unnachahmliches Talent, in die absurdesten Situationen zu geraten, von denen normale Zeitgenossen noch nicht einmal nach dem fettigsten Eisbein mit Sauerkraut träumten.
„ Du hast es sicher nur verlegt, Mama! Schau noch einmal in allen Schubladen nach, ich bin sicher, du findest es wieder!“
Schon in ihrem Haus in Deutschland hatte ihre Mutter aus purer Schusseligkeit die unmöglichsten Dinge in die unmöglichsten Schubladen und Schrankfächer gesteckt, und Melanie hatte als Kind oft Stunden damit zugebracht, allerhand unersetzliche Kostbarkeiten wie Knöpfe, Lippenstifte, einen Kamm oder einmal auch die Geldbörse ihres Vaters aus Schränken, Kleidungsstücken oder Behältern, wo sie beim besten Willen nicht hingehörten, herauszufischen. Dass sie für diese Sherlock-Holmes-Meisterleistungen nicht wenigstens ein paar Gummibärchen oder ein Stückchen Schokolade bekommen hatte, nahm sie ihrer Mutter heute noch übel.
„ Nein, Kind! Ich habe wirklich schon alles von oben nach unten gekehrt, was glaubst du, wie es hier aussieht! Und mein Personal darf ja nicht wissen, dass ich die Sachen nicht finde – das würde sich wie ein Lauffeuer herumsprechen, und ich wäre erledigt!“
Sie hatte etwas lauter gesprochen, senkte aber sofort wieder verschwörerisch die Stimme.
„ Weißt du, hier gibt es eine Frau, die eifersüchtig auf mich ist, und sie denkt vermutlich, wenn sie mir die Kronjuwelen klaut, werde ich verstoßen, und dann wird O’Bambuu sie heiraten. Pustekuchen!“
Plötzlich war sie wieder ganz die Alte – energisch und voll Selbstbewusstsein.
„ Du musst mir dieselbe Kette noch mal besorgen. Wie gut, dass du jetzt gerade in New York bist, du weißt ja, ich habe den Schmuck dort gekauft. Was glaubst du, wie diese Hexe Augen machen wird, wenn ich bei dem Fest mit den Zeichen meiner Macht auftauche! Die wird vor Schreck tot umfallen!“
Der Gedanke schien ihrer Mutter zu gefallen, jedenfalls drang ihr unverwechselbares raukehliges Lachen durch den Hörer.
„ Pass auf, ich sage dir jetzt eine Nummer, und mit der gehst du zu Macy’s und kaufst
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