Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
Nachdem der wie am Spieß brüllende und aus einer winzigen Bisswunde blutende Harry vom schnell eingetroffenen Hausarzt versorgt worden war, verschwand Gonzo für immer mit dem Vermerk: „ Vorsicht – beißt in Geschlechtsorgane! “ hinter den Gittertüren des staatlichen Tierheims.
Bei dem reflexartigen Versuch, sein bestes Stück mit der einen Hand und den ausgeflossenen Wein mittels eines Wischlappens zu retten, entließ Harry zwei weitere Tierchen aus einem der anderen Schränke. Glücklich über die Befreiung aus der Dunkelhaft sprangen sie todesmutig hinunter auf den Boden, flitzten wieselflink zwischen Harrys Beinen hindurch und versteckten sich quietschend und pfeifend im Wohnzimmer unter der Couch.
Die Geräusche schienen auch die anderen Mitglieder der Meerschweinchenherde zum Leben zu erwecken, jedenfalls drang plötzlich von allen Seiten ein durchdringendes Pfeifkonzert auf Harry ein, der sich entsetzt die Ohren zuhielt und von Visionen abgebissener Penisse gequält wie von Furien gehetzt ins Schlafzimmer floh. Dort wurde er schließlich empfangen von über dreißig quietschenden Tierchen, die die Gelegenheit nutzten, über Harrys Füße hinweg durch die offenstehende Tür zu entkommen.
Als zwei Stunden später die Männer vom Tierheim das ganze Haus auf den Kopf gestellt und schließlich mit einigen Kartons voll von der Jagd erschöpfter Meerschweinchen das Haus verlassen und Harry mit verdächtig glitzernden Augen den Mouton Rothschild bis zum letzten Tropfen mit einem blütenweißen Tuch aufgesaugt hatte, ließ er sich erschlagen auf die Couch fallen. Es gab keinen Zweifel: Das war das Werk dieses Schweins aus der Talkshow gewesen!
Während Harry im Sender arglos wie ein neugeborenes Kind die Pläne für die Woche durchgegangen war, hatte dieser Irre in aller Seelenruhe diese Kastrationsmonster in seinem Haus verteilt. Was würde er als Nächstes planen? Niemand kannte seine Personalien, bei der Registrierung für die Talkshow hatte er einen falschen Namen angegeben, und die beiden Wachmänner hatten ihn zwar auf die Straße gesetzt, aber keinen Anlass gesehen, eine Personenüberprüfung durchzuführen.
Harry brach unwillkürlich in Schweiß aus. Was, wenn dieser Kerl wie Freddy Kruger aus dem Horrorfilm Nightmare plötzlich in seiner Garage oder nachts mit erhobenem Beil vor seinem Bett stand? Oder wenn er Jaccos Bremsleitungen manipulierte und Jacco mit Harry für immer in den trüben Fluten des Hudson verschwand?
Harry Shinder war zum ersten Mal in seinem Leben zutiefst verunsichert.
Wie berechtigt das war, sollte sich schon bald zeigen.
Kapitel 9
Männer mögen Ärsche
Gladys Butcher, 55, Putzfrau bei Good-Morning-YOU!
Während Harry Shinder nach einer schlaflosen Nacht, von ängstigenden Halluzinationen unzähliger trippelnder Pfötchen gefoltert, schließlich um sechs Uhr schweißgebadet und mit dunklen Ringen unter den Augen aufwachte, sprang Melanie zur selben Minute in ihrem neuen Zuhause nach einem erholsamen traumlosen Schlaf frisch wie der junge Morgen aus dem Bett. Sie fühlte sich, als könne sie Bäume ausreißen, und konnte es kaum abwarten, endlich zu ihrem ersten Arbeitstag im Studio von Good-Morning-YOU! zu erscheinen. Da sie noch zwei Stunden Zeit hatte, bevor Jay sie abholte, beschloss sie, ein ausgiebiges heißes Bad zu nehmen.
Sie nahm eine der auf dem Wannenrand stehenden Karaffen und schüttete etwas von der herrlich nach Vanille und Patchouli duftenden Essenz in den perlenden Wasserstrahl.
Als sie das Nachthemd ausgezogen hatte, stellte sie sich ganz bewusst vor den deckenhohen goldgerahmten Spiegel, um ihren Körper zu betrachten - etwas, das sie bisher stets aus Angst vor neu hinzugekommenen Pölsterchen oder Fältchen auf die unvermeidlichsten Male beschränkt hatte. Dieses Mal war es anders. Melanie genoss den Anblick ihres veränderten Körpers, es kam ihr vor, als habe sie bisher mit Scheuklappen oder einer Art Filter gelebt und könne nun zum ersten Mal wirklich die Schönheit von Rundungen und sanft sich wölbenden Formen sehen.
Als sie merkte, dass sie ihren Bauch aus alter Gewohnheit immer noch einzog, musste sie lachen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie es diesen Muskelpartien zum letzten Mal erlaubt hatte, sich richtig zu entspannen, und fragte sich, ob ihr das überhaupt noch gelang.
Sie versuchte es, aber es war, als ob der Bauch einen eigenen Willen hätte und nicht bereit war, sich auch nur einen winzigen Millimeter in
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