Die Trugburg
Hexe gesetzt, Mythor! Jetzt drohe ich zu verlöschen! Rette mich! Töte Eroice!«
Tallia!
Sie schwieg. Und Mythor ahnte, daß sie so lange schweigen würde, bis er in das Schlafgemach eingedrungen war und seine Aufgabe erfüllt hatte.
»Du denkst wieder nur an sie«, warnte Gesed. Seine Stimme klang verzweifelt, so als würde er sich gerade noch davon zurückhalten, ihm etwas entgegenzuschreien, das ihn schon lange bedrückte.
Ich denke an Ilfa, an Cobor und die anderen von uns, die noch leben mögen, Gesed! Aber ich liebe Tallia!
»Du kannst sie nicht lieben! Du darfst es nicht!«
Was war das? Immer noch eine Warnung oder mehr? Begehrte der Aegyr sie selber – er, ein bloßer Geist?
Halte mich jetzt nicht auf!
Mythors Finger umklammerten den Griff des Schwertes. Nichts mehr war zu hören, selbst das Stöhnen und Heulen aus den Wänden nicht. Er mied die Nähe der Mauern. Dann, vor der bezeichneten Tür, blieb ihm nichts anderes übrig, als den Sprung zwischen den beiden Säulen hindurch zu wagen.
Eine urplötzlich vorschnellende Hand riß ihn mitten aus der Luft, noch bevor er mit der Wucht seines Anlaufs die Tür aus den Angeln sprengen konnte. Sie riß ihn auf die linke Säule zu, und bevor er wußte, wie ihm geschah, war er mit dem Schädel gegen den Marmor gepreßt. Er schnappte nach Luft. Kein Laut löste sich aus seiner Kehle.
Neben ihm schälte sich ein Kopf aus der Säule. Mythor mußte die Augen verdrehen, um in das fremde Gesicht blicken zu können. Es wirkte alt, sehr alt. Einstmals mochte es edle Züge getragen haben. Mythor erfaßte gefühlsmäßig, daß der in den Stein Gezwungene kein gewöhnlicher Liebhaber der Hexe gewesen war.
»Eroice gehört mir!« zischte eine klanglose Stimme. »Mir, denn ich, Budjan, erbaute ihr diese Burg! Ich durfte sie lieben, als noch die reichsten und mächtigsten Aegyr bei ihr verkehrten. Und ich werde sie lieben, wenn alle anderen Gefangenen längst vermodert sind, aber du wirst nie in diesen höchsten aller Genüsse gelangen!«
Mythor riß die Hände hoch und versuchte, den steinernen Griff um seinen Hals zu lockern.
»Gib es auf, Wurm!« zischte der Kopf vor der Wand. »Eroice trug mir auf, nur die Maske zu nehmen und zu vernichten. Doch sie will dich, und nie soll sie dich bekommen! Nur ich bin ihrer würdig! Sie bezahlte mich mit flammender Leidenschaft für den Bau ihrer Burg, und einmal geweckt, verlöscht das Verlangen nie!«
Mythor stieß mit der Spitze der Schwertklinge nach den würgenden Armen. Schon wurde ihm schwarz vor Augen. Eifersucht, brennender Haß auf alle Rivalen hatte den Baumeister um den Verstand gebracht. Keine Worte, auch wenn Mythor sie hätte hervorstoßen können, um zu sagen, daß es doch nur Tallia begehrte, hätten Budjan zum Einlenken bringen können.
»Du sollst meine Gefangenschaft teilen! Im Stein werde ich Macht über dich haben, und begehrt Eroice dich, so muß sie erst mir ihren Tribut zollen! Darauf habe ich so lange gewartet! Nun braucht sie mich, um ihre Sehnsüchte zu stillen!«
Mythor spürte, wie der Stein hinter ihm weich wurde. Der Baumeister meinte genau das, was er sagte! Er konnte es! Wer mit magischen Sperren und Fesseln diese Burg einmal errichtet hatte, vermochte auch dies!
In allerhöchster Verzweiflung griff Mythor nach der Totenmaske und riß sie von seinem Gürtel. Die letzte Kraft, die noch in seinen Muskeln war, bündelte er auf die eine Bewegung, die Budjan die Totenmaske vor sein Reliefgesicht stieß.
Ein gellender Schrei hallte von den Wänden wider. Mythor fiel, als der Würgegriff erlahmte, rollte sich quer über den Gang und starrte auf das, was aus Budjan geworden war. Noch sah er alles durch Schleier. Seine Lungen schmerzten. Der Hals brannte.
Budjans halber Oberkörper ragte aus der Säule. Hände, die die Maske vom Gesicht zu reißen versuchten, erschlafften. Dann hing der Baumeister wie tot aus dem Marmor. Durch den Mundschlitz der Maske aber sagte die Stimme des Gesed te Ruuta:
»Ich vergebe dir, was du getan hast, Mythor, denn du konntest dich anders nicht mehr retten, und ich bin schuld daran, daß es soweit kommen mußte. Ich beherrsche den Körper des Baumeisters, so wie ich dich im Wald der Masken beherrschte. Aber wie ich deine Qualen spürte, so fühle ich nun die des Budjan te Lombyr. Sie werden die meinen sein, in einem grausamen Leben ohne Tod, wenn du Eroice nicht besiegst.«
»Gib mir den Weg frei!« preßte Mythor hervor. »Damit ich es tue!«
»Ich bin nicht dein
Weitere Kostenlose Bücher