Die Trugburg
Mythor war dicht vor dem Ziel. Die Eingemauerten würden ihn nicht lange aufhalten.
Es wurde Zeit, Ilfa aufzusuchen. Vorher aber wollte die Hexe Ceroc zu sich rufen. Er sollte sie in den Turm begleiten.
Sie lachte in sich hinein.
Begleiten und das Schicksal ihrer Liebhaber teilen! Er war ein Narr, wenn er glaubte, sie würde ihn in dem neuen Körper neben sich dulden.
In die Mauern mit ihm, auf daß er daraus nur wieder hervorträte, wenn sie seine Gesellschaft brauchte oder er ausziehen mußte, um neue Jungfrauen zu besorgen!
So ganz im Rausch der Vorfreude, verlor Eroice keinen Gedanken an Kalaun, den Herrn des Chaos, und sein flammendes Begehren.
*
»Cobor!« rief Mythor, als er den Schreck überwunden hatte. »Halte aus!«
»Nein!« Cobor, mit dem Schwert gegen vier Dolche kämpfend, die gegen ihn erhoben wurden, drehte sich halb zu ihm um. »Bleib stehen! Kehr um! Der ganze Gang ist eine Falle!«
»Ich weiß über diese Mauern Bescheid!«
Mythor nahm keine Rücksichten, als vor, neben und hinter ihm Arme und Gesichter aus den Steinen erschienen. Jetzt, da er wußte, daß es sich bei den Gestalten um kein wirkliches Leben handelte, schlug er auf alles, was ihm zu nahe kam.
Jedenfalls versuchte er es. Plötzlich schienen sich alle Verfluchungen aus der ganzen Burg an dieser einen Stelle zusammenzutun, als könnten sie ihren Standort nach Belieben wechseln. Aber wenn dem doch nicht so war – wie viele hoffnungsvolle Jünglinge und Männer, die alle das Leben geliebt hatten, mußte die Hexe dann so grausam geschlagen haben!
Der Gedanke daran verursachte Mythor Übelkeit. Er kämpfte wie ein Rasender, mußte über Füße springen, die sich plötzlich vor seine Beine schoben und nach ihm traten, mußte sich der Klingen erwehren, die plötzlich in die Hände der Unseligen hineingezaubert waren, und noch ein Auge auf Cobor haben.
Er schaffte es bis zur Hälfte des Weges, als Cobor gellend aufschrie. Eine Hand hatte sich von hinten um seinen Hals gelegt und zog ihn mit Wucht gegen die Mauer. Gleichzeitig hob ein Geheul wie von tausend Dämonen an. Und aus den Mündern der Gestalten kam es immer lauter: »Tötet! Tötet!«
Selbst die Kraft des schwarzhaarigen Hünen reichte nicht aus, um sich freizureißen. Mythor sah, wie einer der Arme aus der gegenüberliegenden Mauer sich vorschob. Eine Dolchklinge blitzte auf und näherte sich Cobors Kehle.
»Nein!« schrie Mythor.
Er drosch um sich, blind vor Zorn und Hilflosigkeit, denn ein Wunder mußte geschehen, um ihn noch rechtzeitig zur Stelle sein zu lassen. Dann war es auch schon zu spät. Zwei Schritte trennten ihn noch von Cobor, als die Klinge vorstieß.
Die Hand von hinten ließ los. Cobor sank mit einem röchelnden Laut zu Boden. Alle Vorsicht vergessend, stürzte sich Mythor auf ihn und zog ihn mit einer Hand zum Ende des Ganges.
Doch da gab es keine Tür. Wie war Cobor hereingekommen?
Mythor drückte den Sterbenden an sich. Noch immer stießen Waffen nach ihm, als peitschte etwas die Wandwesen regelrecht dazu auf, Cobor den endgültigen Garaus zu machen. Gleichzeitig aber griffen immer mehr Hände jetzt gierig nach Mythor – nein, nach Geseds Totenmaske!
»Verschwindet!« brüllte er. Es war ihm in diesem Moment gleichgültig, ob Mangowachen ihn hörten. Und er haßte sich für das, was er tun mußte, um sich die zupackenden Hände vom Leib zu halten.
»Wie bist du hier hereingekommen, Cobor?« rief er in das Heulen und Kreischen der Eingemauerten hinein.
»Oben«, brachte der Abenteurer nur noch heiser hervor. »Die… Decke. Ich… konnte wieder in die Burg eindringen und… wurde gejagt.«
Von wem, war nicht schwer zu erraten. Eine Hand schloß sich um die Totenmaske. Mythor ließ die Klinge niedersausen.
Er legte den Kopf in den Nacken. Genau über ihm klaffte eine Öffnung in der Decke.
»Eine Falltür. Du bist also in den Gang gestürzt, Cobor. Ich bringe dich nach oben, wir müssen es schaffen.«
Ein Zittern durchlief Cobors Körper. Seine Hand legte sich schwer auf die des Gefährten.
»Du… kannst mir nicht mehr helfen, Mythor. Aber… Ilfa!«
»Was ist mit ihr?«
»Sie wird im Jungfrauenturm gefangengehalten!« Die Worte sprudelten plötzlich so schnell über Cobors Lippen, daß sie kaum zu verstehen waren. Es war ein allerletztes Aufbäumen. »Ceroc hat sie dorthin gebracht, Eroices Bruder. Finde die Hexe, Mythor… und bestrafe sie! Ich habe… wenigstens das noch für dich tun können.«
»Du hast mehr getan, als du
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