Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
du sonst einen Soldaten?“
Luisa schüttelte abermals den Kopf.
Von ihrem Vater und seiner Neugier wurde Luisa zur Tür begleitet.
„Sie verzeihen untertänigst die frühe Störung, Herr Treuentzien“, schlug der uniformierte Nackenzopf die Hacken zusammen und straffte dabei seine Haltung. „Ihre Tochter auf ein Wort.“
Luisas Blicke huschten von den blank geputzten Goldknöpfen und dem unverwüstlichen Lächeln des Uniformierten ins überraschte Antlitz ihres Vaters und wieder zurück.
„Mit wem haben wir die Ehre?“, kam der Vater seiner Kontrollpflicht nach und legte zur Demonstration seiner Beschützerfunktion den linken Arm um Luisas Taille.
„Bitte vielmals um Entschuldigung“, knallte der Nackenzopf die Hacken abermals aneinander, „Weber, Clemens Weber. Oberoffizier erste Kompanie Nationalgarde.“
„Hol mich der ... Ein Scheibenschütze?“
Der Nackenzopf zeigte Caspars Lächeln, was Luisa einen Stich ins Herz versetzte: „Nein, Herr Treuentzien, die Scheibenschützengesellschaft wurde im November aufgelöst. Wir sind ganz normale Kommunalgardisten.“ Er hielt den Helm mit weißem Beschlag, flachen Schuppenketten und schwarzen Büschen unter dem linken Arm, die Rechte ruhte hinterm Rücken. Ein stattlicher Weber.
„Ein Weber!“, lachte Ludwig Treuentzien und Luisa erkannte den respektvollen Brustton in der Stimme ihres Vaters. Der andere zeigte nur wieder Caspars Lächeln mit dem fremden Wesenszug, der nicht Caspars war. Was wollte der! Was sollte das! Und Caspar? Wie ging es Caspar? „Ein Webersohn. Wie haben Sie es zu den Scheibenschützen geschafft?“
„Durch Bewährung.“
„Wer hätte das gedacht, nicht wahr?“ Ihr Vater suchte den Schulterschluss mit ihr, doch Luisa rührte sich nicht. Der Soldat interessierte sie nicht. Was gab es Neues von Caspar?
„Wie alt sind Sie?“
„Fünfundzwanzig, seit November, Herr Treuentzien.“
Luisa stutzte: Caspar war doch im November fünfundzwanzig geworden.
„Eine wirklich rasche Karriere“, lobte ihr Vater den Fremden, der ihr sehr vertraut vorkam. „Ich erinnere mich an Sie, Herr Weber, da waren Sie so ...“ Er ließ seine flache Rechte in Höhe seines Bauchnabels schweben, wobei er Luisa mit der Linken ein Stück näher in Richtung des Mannes schob. „Und Ihrem Vater, unserem besten Damastweber, eher hinderlich als hilfreich. Ihnen war nie die Weberei vorbestimmt, nicht wahr? Und nun sieh sich einer den Kürassier an! Was reiten Sie?“
„Einen Trakehner, ein Apfelschimmel, etwas bockig, aber man gewöhnt sich dran. Er heißt Portobello. Dreizehn Jahre alt.“
Ludwig Treuentziens bewundernder Blick schweifte zu Luisa, die zu frieren begann. Was sollte das?!, überlegte sie. Umwarb ihr Vater diesen Soldaten?
„Wem unterstehen Sie?“
„Major von Goesnitz, Herr Treuentzien.“
„Haben Sie vor, in Dresden zu bleiben?“
„Nicht, wenn unser Dörfchen hier eine Armee aufstellt.“
Ihr Vater lachte und Clemens Weber schien sich über die Freude des Alten zu freuen. Er war ein hübscher Kerl, wie Caspar, aber Caspar war hübscher. Luisa trat ungeduldig von einem Bein aufs andere. Dann wurde ihr Vater überraschend ernst: „Herr Weber, ist es von der Hand zu weisen, dass die Julirevolution der Franzosen etwas damit zu tun hat, dass es keine Nationalbürgergarde mehr gibt?“
Man schwieg und Luisa schaute dem Fremden in die Augen, schaute in Caspars dunkles Blau. Die beiden Brüder sahen sich ungeheuer ähnlich, obschon aus Clemens’ Gesicht eine gewisse Jungenhaftigkeit und Rastlosigkeit sprach, was nicht verwunderlich war, verglich man die Berufungen der beiden Weber-Brüder. Die Strenge und Disziplin des Soldatenberufes hielt zuweilen eine gewisse Hektik bereit und Clemens Webers Wesen schien von eben jener abenteuerlichen Hast befangen zu sein. Seine Augen waren belebt von Neugier, Erwartung, Kalkül und dem Versuch, all diese Eigenarten zu beherrschen. Caspars Wesen hingegen war während eines Lebens am Webstuhl, während eines Lebens des Stillsitzens, Ausharrens und der Geduld gefestigt worden.
Clemens Weber hätte es nicht zum Oberoffizier gebracht, wenn er nicht wortgewandt gewesen wäre: „Nein, Herr Treuentzien. Es waren genau genommen die Unruhen in der ersten Septemberwoche in Leipzig und Dresden.“
„Die Zeitungen schrieben“, mischte sich Luisa ein, worüber Clemens Weber erstaunt schien, „man habe das Volk mit Schüssen und Knüppeln traktiert und viele Menschen verhaftet.“
Clemens Weber
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