Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
längst Bodenfrost gegeben. Die Dorfwege waren so zerwühlt und zerklüftet zugefroren, wie der Herbst sie zurückgelassen hatte. Doch bevor Caspar im Schneetreiben verschwand, besann er sich: „Luisa hat ein Schmucktuch mit ihrem Gesicht drauf. Weißt du was davon?“
Der Blick der Magd war entrückt, aber Caspar erkannte, dass sie ganz genau Bescheid wusste. „Du hast das gemacht, das wusst ich gleich, als sie’s ausgepackt hat.“
„Ausgepackt?“
„Willst es jetzt zurückhaben?“ Die Magd war neugierig, obwohl Caspar derjenige war, der einiges wissen wollte. „Aber du darfst es niemandem weitersagen, klar?“, gebot sie, als sie fertig erzählt hatte und bevor sie ins Haus lief.
Caspar ging auf Umwegen nach Hause und dachte nach. Dass sein Tuch ein Musterstück bei der Messe gewesen war, hatte er zuallerletzt vermutet. Er hatte sich einige Gedanken über sein Tuch gemacht, aber so etwas? Morgen würde er das mit Luisa klären. Alles würde sich zum Guten wenden und alles würde so schön wie vor Emilies Verleumdungen werden. Musste es einfach!
Seine Nachtwanderung und der frühe Morgen saßen ihm dann in den Knochen, vor allem in der Lunge, die brannte.
Am nächsten Morgen kam sie das Keubler-Tuch holen. Sie gab sich distanziert und fremd.
„Luisa.“
„Nicht, Caspar, ich will nichts hören. Ich will nur das Stück holen.“
Mit ihr drang frostige Unwirtlichkeit ins Haus.
„Luisa, bitte ...“
Sie hob die Rechte, während Caspar schwieg und sie in das Altenteil führte.
Lass uns darüber reden. Es ist doch alles gut. Er wollte so viel sagen, doch er schwieg, weil ihre Miene so verschlossen, so geschäftlich, so „Treuentzien“ war. Er hasste das! Er machte sich nicht die Mühe, das in Jute und Papier eingewickelte Schmucktuch besonders behutsam oder geräuschlos auf dem kleinen runden Tisch auszubreiten. Er beobachtete Luisas helle Augen, die seinen mechanischen Handbewegungen folgten. Sie nahm ihm die Musterzeichnung ab und legte sie beiseite.
„Willst du’s nicht vergleichen?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Wann geht deine Kutsche?“
„Sie wartet.“
Er blickte zum Fenster hinaus, aber um die Biegung, die die Straße machte, konnte er nicht sehen. Sie beugte sich kaum über das Tuch und Caspar wusste, dass Luisa aus diesem Blickwinkel und bei diesen Lichtverhältnissen kaum mehr sehen konnte als ein weißes Tuch. Dann schlug sie es wieder in Papier ein.
„Du solltest nicht allein nach Leipzig fahren. Es ist noch immer sehr gefährlich dort.“
„Ich reise nicht allein, Bettine kommt mit. Das Tuch ist sehr gut. Danke. Du hättest dir gestern nicht die Mühe machen müssen, zu meinem Elternhaus zu kommen. Und den Aufstand hättest du dir sparen können. Die ganze Nachbarschaft hat dein Gebrüll gehört!“
Caspar tat unbeteiligt. Die Vorwürfe kümmerten ihn nicht.
„Man redet schon genug über meine Familie.“
Na und? So vieles wollte er jetzt zu ihr sagen. Er wollte auch über das Mustertuch sprechen. Stattdessen sagte er: „Das mit Emilie war ein Missverständnis, da war nichts ...“
Luisa schnitt ihm, wie schon am Tag zuvor, das Wort ab. „Das ist eine Frage des Vertrauens, Caspar! Du solltest übrigens zu Doktor Bender gehen. Dein Husten. Du hörst dich schlimm an.“ Es war nur ein Wimpernschlag – so flüchtig wie der Schuss eines Weberschiffchens –, den sie ihm sandte. „Wirst du das tun?“ Sie wandte sich ab, um das Zimmer zu verlassen.
Er brauchte keinen Doktor! Er brauchte sie.
Luisa verstaute das zusammengerollte Tuch in der Lederrolle. „Was ich dich noch fragen wollte: Weißt du, was Zoan ist?“
Caspar war irritiert. Seine Liebe lag in Scherben und sie wollte die Bibel auslegen? „Die Hauptstadt der Könige. Jesaja neunzehn, zehn bis elf: ‚Die Weber werden geschlagen sein, und alle, die um Lohn arbeiten, sind bekümmert. Die Fürsten von Zoan sind Toren, die weisen Räte des Pharao sind mit ihrem Rat zu Narren geworden.‘ – Wieso?“
„Das haben die Weber in Leipzig gerufen, als sie auf die Straßen gingen ... Ich wollte nur wissen, was sie rufen, wenn sie wieder rufen. Auf Wiedersehen, Caspar. Drück die Daumen, dass ich mit einer neuen Zeichnung für dich zurückkomme.“
„Luisa.“
Sie hielt die Klinke in der Hand, erstarrt, und er hätte nur drei Schritte gebraucht, um sie in die Arme zu nehmen. Doch er tat es nicht. Er hatte auch seinen Stolz. „Glaub in Zukunft nicht alles, was die Leute reden. Leb wohl.“ Er sah, wie
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