Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
bleich.
„Was ist los?“ Luisa schnappte sich ein trockenes Stück Brot, das sie sogleich anknabberte, und setzte sich an den Tisch.
„Betrug, Luisa.“
„Betrug?“
„Dein Vater ist auf dem Weg nach Auf dem Sande, wo ein Caspar Weber verhaftet wird.“
Luisa blieb der trockene Brotklumpen im Halse stecken. „Verhaftet?“
Ihre Mutter schaute sie nun sehr streng an. „Ist es wahr, Luisa?“
„Ich hab keine Ahnung, wovon du sprichst.“
„Caspar Weber hat dich geschwängert? Bist du schwanger?“
Luisa schluckte. Der Blick, den sie und die Mutter wechselten, war Antwort genug. „Wer hat das gesagt?“
„Clemens Weber war eben hier.“ Ihre Mutter erhob sich. Ihre Bewegungen waren langsam und müde. Sie resignierte, gab ihre Tochter hiermit auf. „Ich hatte es mir fast gedacht. Luisa, so häufig wie du Auf dem Sande warst, auch wenn Clemens Weber gar nicht da war. Das konnte nur mit diesem Caspar zu tun haben.“
Luisa war es wieder ganz übel. „Mutter, was passiert jetzt?“
Ihre Mutter stellte sich ans Fenster. Ihr Körper war ohne jegliche Spannung. Sie sprach ganz ruhig: „Clemens Weber hat den Tagwächter schon vor Vater zu sich nach Hause geholt, um seinen Bruder verhaften zu lassen. Es ist wohl unwahrscheinlich, dass du Caspar Weber noch erwischst.“
Doch! Sie erwischte ihn noch.
Vor seinem Haus war eine aufgeregte Menschentraube versammelt. Luisa erblickte Caspar nicht gleich, weil so viele Leute da waren. Sie sah Maria Weber, die sich an Meister Webers Arm hängte und weinte. Sie sah auch Elsbeth und Herrmann Tkadlec, die fassungslos mit ansahen, was am Morgen nach ihrer Hochzeit passierte. Auch den Türpe sah sie. Natürlich der Türpe! Der würde sich diese Sensation nicht entgehen lassen. Luisa kämpfte sich durch die Menschenmenge und dann sah sie Caspar: die Hände auf den Rücken gebunden, wurde er von einem Beamten festgehalten. Das war zu viel. Sie schob jeden, der ihr im Weg stand, beiseite und lief zu ihm. Er erblickte sie sogleich und sie konnte sehen, dass sein Gesicht übel zugerichtet worden war.
„Wer war das? Oh Gott!“ Sie legte vorsichtig ihre Fingerspitzen an seine rechte Augenbraue, die von Blut verkrustet war. Seine rechte Schläfe und sein rechter Kiefer waren blau unterlaufen.
„Nicht Gott, sondern Clemens.“ Er zeigte ein schiefes Lächeln.
Luisa fauchte den Beamten an: „So lassen Sie ihn schon los, meine Güte!“
Und der ließ Caspars rechten Ellbogen los, ohne Widerworte. Dann flog sie Caspar um den Hals und hielt ihn ganz fest. Es war ihr völlig egal, was die Dorfschaft dazu sagte. „Was soll das alles? Was hat sich Clemens dabei gedacht?“
Weil Caspar nicht antwortete, folgte Luisa seinem Blick. Sie erkannte Clemens, der mit dem Tagwächter sehr fachlich zu sprechen schien. Im selben Moment wurde sie von ihrem Vater entdeckt, der mit Meister Weber ernste Worte gesprochen haben musste, denn jener hatte kein Fünkchen Farbe mehr im Gesicht. Ihr Vater stampfte entschlossen auf Luisa und Caspar zu.
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie der getobt hat“, raunte ihr Caspar ins Ohr.
Luisa, wie um ihrer Entscheidung Nachdruck zu verleihen, hielt Caspars auf dem Rücken zusammengebundene Hände ganz fest in ihrer Linken.
„Mach, dass du nach Hause kommst, Fräuleinchen!“, herrschte ihr Vater sie an, dass es auch der letzte Weber in seinem Haus gehört haben musste!
„Nein!“ Sie sah, wie die Adern auf den Schläfen ihres Vaters anschwollen und sein Gesicht rot wurde.
„Wir sprechen uns noch, junge Dame! Und Sie! Lassen Sie sofort meine Tochter los!“
„Das geht nicht, ich kann meine Hände nicht bewegen.“
Für diese Worte bekam Caspar eine Ohrfeige.
„Vater!“ Luisa zwängte sich zwischen ihn und Caspar.
Ihr Vater aber schaute von ihr zu Caspar und dann wieder zu ihr. „Nenn mich nicht deinen Vater! Ich schäme mich, Luisa!“
„Wer sich hier blamabel aufführt, bist du und Clemens Weber – ihr alle hier!“ Sie wandte sich an die Umstehenden. Die hatten mit Tuscheln und Gaffen so viel zu tun, dass sie auf sie gar nicht achteten. „Und jetzt nehmen Sie ihm die Fesseln ab, das ist ja lächerlich.“
Der Beamte bewegte sich nicht, weil ihr Vater ihr über den Mund fuhr: „Oh nein, Luisa. Einer, der gegen so ziemlich jedes Zunftgesetz verstoßen hat, gehört ins Kittchen!“
„Wir werden heiraten, Vater.“
„Das hast du ausnahmsweise richtig erkannt: Du wirst Clemens Weber heiraten. – Führen Sie ihn
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