Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
Sie wollen“, hörte sie Elsbeth sagen.
Luisa schüttelte den Kopf. „Nein, ich werde bei meinem Großvater drüben im Nachbardorf anfragen. Aber wenn ich meine Sachen so lange bei Ihnen lassen dürfte, wäre das eine Hilfe. Und bitte bringen Sie Fleck zu Sophie, sie soll von nun an seine Herrin sein.“
Herrmann versuchte sie zu ermutigen, indem er versicherte, dass Caspar schon nichts passieren würde.
Aber Luisa hörte kaum zu. Sie schaute aus dem Fenster der Kutsche zur Mandau hinunter und überlegte, dass Caspar mittlerweile schon in Zittau angelangt sein dürfte, ebenso Clemens. „Was sie jetzt wohl mit ihm machen?“ Ihre verträumte Stimme brachte Herrmann zum Schweigen.
Niemand sprach mehr darüber.
Bettine kündigte den Dienst bei Luisas Vater. „Na, weil, Fräulein Luisa, ich hab ja nichts Gutes mehr von ihm zu erwarten, weil ich Sie doch die ganze Zeit gedeckt hab.“
„Ich weiß aber nicht, ob ich dich in Lohn und Brot werde nehmen können.“
Bettine zuckte mit den Achseln. „Lieber bei Ihnen in Kost und Logis, als in Schimpf und Schande bei Ihrem Vater.“
Luisa war so dankbar, so dankbar, dass sie nicht allein nach Leipzig würde fahren müssen.
Tatsächlich lenkte die Reise sie ein bisschen ab. Das Geschwistertuch war ein voller Erfolg. Sie wurde weit über den vereinbarten Preis bezahlt und kehrte mit über die Maßen erfüllten Erwartungen heim. Sie hatte eigenes Geld. Luisa empfand Geld jetzt, wo sie das ihres Vaters nicht mehr hatte, als das, was es war: als Luxus. Sie würde sparen müssen.
„Ein Haus brauche ich.“
„Ein Haus, Fräulein?“
„Ja, ein Haus.“ Luisa reckte den Hals, als sie ins Dorf zurückkehrten, als könne sie am Mandauufer genau das Haus entdecken, das sie für ihre Zwecke benötigte. Luisa hatte sich in den vergangenen fünf Tagen Gedanken an ein böses Ende verboten. Sie weigerte sich zu glauben, dass mit Caspar etwas Schlimmes passieren könnte.
Ihr Weg führte geradewegs nach Auf dem Sande, denn sie musste mit Meister Weber das Geschäft besprechen. Aber die Stimmung bei den Häuslern spiegelte ihr Seelenbild wider.
Im Garten fand sie Meister Weber. Der tat nichts Sinnvolles, sondern ließ die Axt mit wenig Kraft immer wieder auf den Hackklotz fallen. Seine Stimme war leise und müde, als er zu sprechen begann: „Er wurde der Unzucht und des Brautraubs sowie der Verbreitung von Zunftgeheimnissen, ferner zu Verstößen gegen die Reinhaltung der Zunft und dem Nachgehen des Handwerks während der Webpause verurteilt.“
„Das bedeutet?“
„Verurteilt zum Tode durch den Strang. So will es die ‚Reinhaltung der Zunft‘, Fräulein Treuentzien.“
Luisa blieb die Luft weg.
Meister Weber ließ die Axt auf dem Hackklotz liegen und deutete auf die Gartenbank, auf die sie sich beide setzten.
Luisas Hände zitterten. „Es ist meine Schuld.“
„Nein, Fräulein Treuentzien“, versuchte Meister Weber einen ganz milden Tonfall. „Caspar wusste die ganze Zeit, was er aufs Spiel setzte. Er kennt die Zunftordnung. Er handelte auf eigene Verant...“
„Ich muss zu ihm!“ Wie sollte sie ohne ihn leben können? Und das Kind? Herr, hilf!
„Caspar will nicht, dass Sie nach Zittau fahren. Ich musste ihm versprechen, Sie von dieser Idee abzubringen.“
„Ich werde ihn doch wohl besuchen dürfen, bevor man ihn ... ihn, oh Gott.“ Reiß dich zusammen!
„Clemens hat ihn zum Duell herausgefordert.“
„Was?“ Luisa forschte in den kleinen müden blauen Augen des Mannes.
Der schüttelte ratlos den Kopf. „Einen verlier ich, Fräulein Treuentzien, einen verlier ich. Wenn Caspar gewinnt, bekommt er nur drei Monate, dann ist seine Ehre wiederhergestellt und er kann zu Ihnen zurückkehren und Sie sogar heiraten.“
War das ein Trost für einen Vater, der einen seiner Söhne würde beerdigen müssen? War das ein Trost für Luisa? Mitnichten. Luisa wurde es mit einem Male so übel, dass sie ihre Unterarme gegen ihren Leib presste, sich nach vorn neigte und vor sich hin starrte. Keine Tränen mehr. Die Sonne kitzelte ihre Nasenspitze. Vogelgezwitscher. Der Duft nach dem ersten Heu. Der Frühsommer trog über den Schatten hinweg, in dem sie jetzt lebte.
„Ich muss mich bei Clemens entschuldigen.“
„Nein, Caspar sollte das tun.“
„Clemens ist ein einflussreicher Mann. Und wenn es der Preis ist, dass ich ihn heirate und Caspar so davonkommt, dann würde ich das tun.“
Sie wurde vom Meister angestarrt, vielleicht skeptisch, vielleicht
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