Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
in meiner Welt, Clemens, mach das mal allein.“
„Ich kann mich nicht allein duellieren.“
Caspar zuckte mit den Achseln und Clemens lallte weiter: „Ich muss Luisas Ehre wiederherstellen und meine auch. Ich kann den Leuten nicht mehr in die Augen sehen nach dieser Farce!“ Er schlug mit schlaffer Faust nach Caspar, doch der konnte Clemens’ Hand leicht wegdrücken.
„Luisas Ehre brauchst du nicht wiederherzustellen. Ich denke, sie ist ganz glücklich.“
„Sicher? Wie kann sie mit einem wie dir glücklich sein?“ Clemens maulte, holte abermals aus, war aber zu betrunken, zu erschöpft und zu unglücklich, um noch etwas gegen Caspar ausrichten zu können. Stattdessen nahm er den Weinbecher und trank in langen Schlucken. „Ich hab mich vor ihr zum Idioten gemacht.“
„Nur ein bisschen.“ Caspar strich seinem Bruder die Haarsträhnen aus dem tränen- und blutüberströmten Gesicht. „Weißt du, Clemens“, Caspar legte den Arm um Clemens’ Brust und zog ihn näher zu sich heran. „Der eine hat das Geld, der andere das Herz.“
„Und die Lügnerin.“
„Was meinst du?“
„Luisa Treuentzien ist eine Betrügerin.“
Caspar wurde wieder etwas klarer im Kopf und seufzte: „Ich weiß.“
„Wie viel weißt du wohl?! Du hast recht, ich spioniere den Leuten immer noch hinterher, habe mich kein Stück geändert.“
„Erzähl schon.“
Clemens erzählte, erzählte sehr lange und klang irgendwie ganz und gar nicht mehr angetrunken.
Caspar wusste, dass Clemens sich das alles nicht ausdachte. Sie waren sich oft uneins gewesen, aber nie, niemals hatten sie einander angelogen.
Und als er fertig war mit Erzählen, beugte Clemens sich ächzend nach vorn und zog die Weinflasche vom Tisch, um sich und Caspar erneut einzuschenken.
Caspar aber mochte nicht mehr trinken. Im Gegenteil, er hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen.
Clemens schmiegte sich wieder an Caspars Schulter und sagte: „Kasperle, glaub mir, vor so einer wie Luisa Clementine Maxi... und so weiter hätte ich dich gerne bewahrt.“
„Du bist nicht mein Beschützer“, murmelte Caspar geistesabwesend und war mit den Gedanken bei Luisa. Er hatte gewusst, dass sie gelogen hatte, aber so viel zu lügen schaffte nur der Leibhaftige!
„Willst du sie immer noch heiraten?“ Clemens trank wieder einen kräftigen Schluck.
Eine berechtigte Frage, überlegte Caspar. „Ich hab keine Wahl.“
„Wieso nicht?“
„Sie ist schwanger.“
Stille. Dann: „Tja.“ Clemens trank und fuhr fort: „Egal ... Das fällt nicht weiter auf, ob es dein Kind ist oder meins. Ich würde es großziehen wie mein eigenes, versprochen!“
„Verschon mich!“ Caspar hatte jetzt wirklich andere Sorgen. Er musste mit Luisa sprechen. Dringend. „Und du bist ganz sicher, was das Verzeichnis angeht?“ Clemens hatte ihm erzählt, er habe in den sächsischen Branchenverzeichnissen gestöbert, nachdem ihm Agnes geschrieben hatte, dass Caspar von einem Keubler ein Tuch in Arbeit genommen hatte.
„Ganz sicher“, rülpste Clemens hervor. „Ganz sicher. Da gibt es keinen Paul Keubler.“
Für wen machte er die Tücher, wenn nicht für Paul Keubler.
Sein Bruder las seine Gedanken.
„Pauline Fernheim.“
„Wie bitte?“
„Ich bin dem Namen Keubler auf den Grund gegangen, dazu hatte ich genug Zeit, als ich in Leipzig war.
„Und ich dachte schon, du hast dich nur im Freudenviertel rumgetrieben.“
Clemens lachte auf und knuffte Caspar, dem überhaupt nicht nach Witzeln zumute war. Und sogleich war Clemens wieder ernst und sagte: „Eine angeheiratete Schwiegertochter vom alten Fernheim heißt Pauline. Und nun rate mal, wie die mit Mädchennamen heißt?“
„Keubler.“
„Genau, Kasperle. Pauline Keubler. Verstehst du?“
Caspar verstand.
„Ich hab mit ihr geredet.
„Du hast was?“
„Ich bin weltgewandt, Kasperle. Wusstest du das nicht?“ Clemens’ Grinsen war schief, verbittert und betrunken. „Sie hat bei unserer Luisa die Stücke in Auftrag gegeben.“ Mit jedem weiteren Wort fügten sich vor Caspars geistigem Auge alle Puzzleteile zu einem unguten Ganzen. „Ihr Schwiegervater, der alte Magnus Fernheim nämlich, hält sich seit ’ner Ewigkeit aus dem Schmucktuchgewerbe raus. Prost.“
„Ja, ich weiß.“ Caspar hatte den Zeitungsausschnitt immer noch oben in seiner Kammer, irgendwo. „Wenn du das gewusst hast, Caspar, wieso hast du dich dann weiter auf Luisa eingelassen?“
Caspar seufzte und pulte Haarsträhnen aus dem
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