Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
ab!“
Luisa stemmte sich gegen den Beamten, der Caspar fortbringen wollte. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie ein Kastenwagen, ein Einspänner, vorfuhr. Das durfte nicht wahr sein. Das war alles nicht wahr! Sie starrte ihren Vater an. Der beobachtete mit Genugtuung, wie man den Verschlag des Wagens öffnete und ein Trittbrett hinunterschnellen ließ.
„Caspar, was geht hier vor?“ Ihre Stimme war jetzt ein hauchdünnes Wimmern.
Caspar schaute, wohin ihr Vater blickte, und schüttelte den Kopf. „Ich denke, ich kriege meine Strafe.“ Jetzt senkte er den Blick und sah sie aus seinen dunkelblauen Augen an.
Unsanft packte der Beamte Luisas Hand und löste sie gewaltsam von Caspars Händen. Sie klammerte sich an sein Hemd, während der Beamte Caspar jetzt in Richtung des Kastenwagens schob.
„Luisa, hör zu“, sagte Caspar, der sich widerstandslos abführen ließ. „Die bringen mich jetzt vor Gericht. Türpe hat im Namen der Zunft die Anklage verlesen. Glaub mir, die hat er nicht erst heut morgen aufgeschrieben. Luisa, bitte beruhige dich.“
Sie hatte zu weinen begonnen, was sie ärgerte, weil sie nur noch wenige Sekunden Zeit hatten, um ein paar vernünftige Worte zu wechseln.
„Hör zu, Luisa, du musst das Tuch nach Leipzig bringen und mit einem neuen Auftrag zurückkommen, hörst du?“
Sie nickte, weinte und nickte wieder.
„Ich weiß nicht, womit der Türpe durchkommen wird, aber ich glaube nicht, dass wir so bald heiraten werden.“ Sie hatten den Wagen erreicht. „Hör zu, du musst auf das Kind achtgeben, ja?“
Luisa nickte und schluchzte bitterlich auf.
„Versprich mir, dass du auf dich aufpasst!“
Sie nickte abermals.
„Und versprich mir, dass du nicht nach Zittau kommst!“
Das konnte sie ihm einfach nicht versprechen.
„Bitte, Luisa! Ganz gleich, was passiert, ich will dich dort nicht haben. Ich brauche dich hier! Du musst meinem Vater Aufträge verschaffen, damit sie über die Runden kommen.“
„Er darf doch nicht weben!“, schluchzte sie auf.
„Doch, er darf.“
Sie begriff nicht gleich.
Mit seinem Kinn deutete er auf seine Brusttasche. Sie sah ein zusammengefaltetes Papier und zog es heraus. Luisa war sprachlos und stolz und unendlich traurig. „Meister Caspar Weber“, stand dort geschrieben. „Das ist dein Meisterbrief.“
„Die Genugtuung hat der Türpe sich nicht nehmen lassen, mir den Wisch zu präsentieren und mich im gleichen Atemzug in den Knast zu schicken.“
Luisa schaute in die Runde. Der Türpe war von der Masse verschluckt. Dann küsste sie Caspar und klammerte sich an ihm fest, weil der Beamte ihn jetzt in den Wagen schieben wollte. Maria Weber kam herbeigelaufen und Luisa machte ihr respektierlich Platz, damit sie sich von Caspar verabschieden konnte. Sie gab ihm einen Kuss auf die Stirn, wofür sie sich emporrecken musste. „Halte durch, mein Junge, halte durch.“
Er nickte. Sein letzter Blick galt Luisa.
Sie sah dem Wagen nach, der davonrumpelte. Sie, Friedrich und Maria Weber standen noch eine Weile, nachdem die Menschenmenge sich verlaufen hatte, Auf dem Sande. Sprachlos. Luisa wischte ihr Gesicht trocken.
Irgendwann wich ihre Traurigkeit unbändiger Wut. „Wo ist er? Wo ist der Verräter?“, knurrte sie und wandte sich zu den Webern um.
Friedrich Weber war blass und starrte nur immerfort in die Richtung, in der sein Zweitältester fortgeschafft worden war.
„Im Haus ist er, Fräulein Treuentzien“, ließ Maria Weber mit sehr tonloser Stimme vernehmen. „Kommen Sie, trinken wir einen Tee, bevor wir ihm das Fell über die Ohren ziehen.“ Ihr Gleichmut war aufgesetzt. Luisa sah, dass in Maria Webers Augen abermals Tränen aufblitzten.
„Wieso?!“, fauchte Luisa, kaum dass sie im Haus waren und auf Clemens Weber stießen. Der war dabei, die Riemen einer Ledertasche zu schließen.
„Lassen Sie uns darüber in aller Ruhe sprechen, wenn ich wieder zurück bin.“
Luisa hatte sich doch hoffentlich verhört? „Nein! Sie erklären mir jetzt, was das alles zu bedeuten hat! Sind Sie wahnsinnig?“
„Vertrauen Sie mir!“
„Wie bitte?“ Luisa schnappte nach Luft. Sie hatte keine Worte mehr, war entsetzt, enttäuscht, wütend auch. Sie beobachtete Clemens, der mit stoischer Ruhe, Entschlossenheit und ungetrübter Miene seine Tasche packte.
„Ich denke, ich bin heute Nacht oder morgen früh zurück. Ich werde dafür sorgen, dass Caspar in die Mandaukaserne geschafft wird, weil in Zittau kein Gefängnis ist.“
Luisa wusste, dass es
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