Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
verkrusteten Blut seiner Augenbrauen. „Ich war verliebt und außerdem pleite, Clemens. Manchmal hat man eben keine Wahl.“
„Ich hab euch immer Geld geschickt, du hättest dich nicht auf die Betrügerin einlassen müssen.“
„Vater wollte dein Geld nicht, nie, das weißt du. Was hast du mit der Fernheim so geredet?“
„Luisa hat die Zeichnungen gemacht.“
Das saß, das kratzte ihn. Das tat weh. Und das, obwohl Caspar das irgendwie immer geahnt hatte. Wieso hatte Luisa ihm das nie gestehen wollen? Hatte sie sich geniert? Wahrscheinlich hätten er und sein Vater die Aufträge einen nach dem anderen nicht angenommen, wenn sie es von Anfang an gewusst hätten. So war das eben in seiner Welt: Von Frauen nahm man keine Arbeit. Da konnte man sich auch gleich kastrieren lassen! „Und das andere? Clemens? Bist du sicher, dass du dich nicht geirrt hast?“
„Hab mich nicht geirrt. Ich bin jetzt besoffen, Caspar, aber damals, als mir der alte Treuentzien das verraten hat, war ich’s nicht.“
Der Treuentzien hatte nämlich Clemens erzählt, dass der Mätzig eine Menge Geld gezahlt hatte, damit Liebig und Haller die Familie Weber aus den Büchern strichen.
„Caspar?“
„Mmh.“
„Hör mal, das, was der Treuentzien mir da gesteckt hat, ist absolut geheim.“
„Ja klar.“ Caspar dachte eine Weile nach. „Aber wenn der Mätzig uns eingekauft hat ...“
„Sklaventreiber der ...!“
„Clemens, hör doch mal zu: Wenn der Mätzig uns gekauft hat, wieso sind wir dann nicht in seiner Fabrik, sondern arbeiten für Luisa?“
Sie überlegten.
Sie überlegten lange.
Irgendwann richtete sich Clemens auf. Er sah völlig nüchtern aus und starrte Caspar mit einem hintergründigen Gesichtsausdruck an. Luisa!
„Meinst du?“
„Die hat euch gekauft. Darauf verwette ich meinen Hintern! Das Fräulein Treuentzien hat meine Leute gekauft.“ Clemens lachte bitter auf, tastete mit seiner Linken nach Caspars Kopf und tätschelte die Wange seines Bruders. „Wir alle sind ihr auf den Leim gegangen. Was sagst du dazu?“
Gar nichts sagte Caspar.
„Willst du sie immer noch heiraten, Caspar?“
Der nickte, was Clemens nicht sehen konnte, deshalb schob er ein kehliges „Ja“ hinterher.
Clemens seufzte. „Wir müssen uns was einfallen lassen, Junge.“
„Was meinst du?“
„Du wirst sie nie und nimmer heiraten, Kasperle – nicht nach all den Lügen und dem Betrug an der Zunft und so. Das lässt der Türpe nicht durchgehen.“
„Seit wann interessiert dich meine Situation, hä?“ Caspar schaute auf seinen Bruder, der immer noch den Kopf auf seine Schulter gelegt hatte. Dann drückte er ihn von sich und stand auf, während Clemens sagte: „Ich war nicht für dich da, du hast recht. Als das mit Hermine passiert ist, war ich nicht da, und das ärgert mich bis heute. Aber ich bin kein Schwein, Caspar, sondern dein Bruder. Deshalb möchte ich dir helfen.“
„Oh, wie heldenhaft!“ Caspar schaute nicht seinen Bruder, sondern sein Meisterstück an, aufgebäumt auf dem Zampelstuhl, versteckt unter einem Leinentuch. Da steckte so viel von Luisa drin. Sein Meisteramt war beseelt von Luisa. Aber vielleicht hatte Clemens recht. Wie blauäugig er und Luisa gewesen waren! Der Treuentzien würde schnurstracks zum Türpe rennen, wenn er von der Verlobung seiner Tochter mit dem falschen Webersohn erfuhr. Wieso Caspar auf einmal lächeln musste, wusste er nicht. Er fuhr sich über die Augen, weil alles so verdammt vertrackt war. Luisa hatte das ganze Dorf an der Nase herumgeführt! „Was schlägst du vor?“
Clemens schob sich näher an die Wand heran, damit er aufrecht sitzen konnte, und blickte aus glasigen, müden und blutunterlaufenen Augen zu Caspar. Es war ein Blick, den Caspar noch nie an seinem Bruder gesehen hatte. So traurig, aber auch endgültig. Entschlossen und unheimlich. „Dass du mir ausnahmsweise mal vertraust.“
Luisa hörte die lauten Männerstimmen unten im Flur, aber selbst wenn ihre weibliche Neugier sie aus dem Bett hätte treiben können, diese schreckliche Übelkeit nagelte sie an die Matratze. Es kam bitter und in Schwallen. Bettine reinigte auch an diesem Morgen das Nachtgeschirr mit besorgter Miene. „Es dauert ja nicht neun Monate, Fräulein, mit der Brecherei.“ Mehr als der Magd verdutzt hinterherschauen konnte Luisa nicht.
Als Luisa nach unten in den Salon ging, war ihr Vater schon fort. Die Mädchen waren in der Schule oder sonst wo und ihre Mutter war ganz
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