Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
an, tat weh und quälte einen über Jahre. Es gab einen Menschen, den er lange Zeit gehasst hatte und den er sich jetzt aus seinem Leben rauszuhalten bemühte. Nein, er hasste die Treuentzien nicht, dazu kannte er sie zu wenig.
Mit seiner Mutter jedenfalls hatte er vereinbart, Vater nichts von dem Zusammenstoß mit der Treuentzien zu sagen, der würde sich in Grund und Boden genieren, und überhaupt hielt sein Vater auf den alten Treuentzien große Stücke, das musste man nicht kaputt machen, indem man ihm unter die Nase rieb, was dessen feines Töchterlein für eine blöde Gans war!
Ein furchtbarer Abend!
Flecks Leine in der Hand, die Weber’sche Stubentür schon einen Spalt geöffnet, überlegte Luisa, was sie vergessen hatte. In ihrem Hinterkopf war etwas verhakt, aber was? Den Vorladungstermin hatte sie unterbreitet, was war noch?
„Die Musterzeichnung. Sie wollten die Patrone abholen“, kam es aus Caspar Webers Richtung.
„Ach ja.“ Sie drehte sich wieder um. Das war’s. Ihr Gesicht brannte rot glühend vor Hitze und Verlegenheit. „Die Patrone. Genau.“
„Dein Hund ist hässlich.“
Luisa wirbelte herum und sah, dass es das jüngste Mädchen am Stubentisch gewesen war, das diese Worte gesagt hatte. Eine der älteren Webertöchter knuffte das Kind in die Seite, ihr Blick aber verriet Zuspruch.
„Wenn schon, dann ‚Ihr‘ Hund. – Wie heißt du?“
„Sophie. Wieso ist dein Hund so hässlich?“
„Besser hässlich als frech.“
„Wie bitte?“ Luisa war von Caspar Weber angeherrscht worden wie von niemandem zuvor.
„Ihre Schwester benimmt sich nicht angemessen!“
Er schnappte nach Luft. Der pure Hass sprühte aus seinen verengten Augen. Die Hände hatte er in die Seiten gestemmt. Maria Weber hatte damit zu tun, ihre beiden vorlauten Kinder zu ermahnen, was Luisa nur für recht und billig hielt. Das vorlaute Mädchen entschuldigte sich kleinlaut für sein Benehmen.
„Dein Hund war vorhin auch frech, der wollte Gertrude was tun!“
Luisa musterte das zerzauste Kind, sprach aber Maria Weber an: „Geht sie in die Schule?“, worauf sie von Caspar Weber zur Antwort bekam: „Mädchen brauchen in keine Schule.“ Sein Blick durchbohrte sie.
„Schaden kann’s ja nicht. Ich empfinde sie als vorlaut und frech.“
„Das reicht! Raus mit Ihnen!“ Er durchquerte die Stube und verließ den Raum.
Maria Weber zuckte mit dem Türenknallen zusammen. „Aber Cas...!“
Aber Caspar war raus aus der Stube und die betretene Stille, in der Balthasar vor der Musterzeichnung hockte und vorgab, Zahlenfolgen, Koordinaten einer Schiffsroute nicht unähnlich, abzuzählen, währte nicht lange.
Mit nicht minderem Türenknallen polterte Caspar Weber wieder in der Stube, drückte Luisa die zusammengerollte Musterzeichnung der Dresdner Servietten in die Hand und hielt ihr die Stubentür auf. „Guten Abend.“
„Begleite das Fräulein zu den Pilaren, Caspar!“ Es war keine Bitte, sondern ein Befehl, der aus Maria Webers Mund schoss.
„Nein, danke, Frau Weber. Das ist nicht nötig.“ Sie würde auch allein zu ihrem Elternhaus oben bei den Grenzsteinen nach Böhmen finden.
Luisa wurde von Maria Weber ignoriert: „Du hast gehört, was ich gesagt habe, Caspar.“
„Wenn sie sich entschuldigt, Mama.“
Hatte sie nicht recht gehabt? Dieses Kind war doch verzogen! Bevor Luisa sich verteidigen konnte, fuhr Maria Weber ihren Sohn an: „Sie ist nicht in der Position, Entschuldigungen unsereinem gegenüber zu entbieten, Caspar, und du bist nicht in der Position, mir zu widersprechen. Und jetzt bring das Fräulein nach Hause!“
„Das ist wirklich nicht nötig, Frau Weber, Fleck passt schon auf mich auf.“
„Fleck wollte Gertrude fressen!“, schimpfte das kleine Mädchen.
„Ein Huhn hat in der guten Stube nichts zu suchen!“ Wieso ließ sie sich auf einen kindischen Streit mit einem Kind ein? „Guten Abend, Frau Weber.“
„Bei allem Respekt, Fräulein Treuentzien, wenn Sie sich die Beine brechen bei der Glätte da draußen, sind wir dran. Also, Caspar!“
Der Mann sog die Atemluft geräuschvoll ein, strafte seine Mutter mit wütenden Blicken ab, schnappte Mantel und Schal und verließ mit Luisa die Stube.
„Sie müssen nicht mitkommen“, sagte sie draußen vor der Tür zu ihm.
Er erwiderte nichts, schritt folgsam, aber zerknirscht neben ihr her. Es war ein unerträglich langer Weg vom Auf dem Sande bis in den Oberen Mandauweg. Dieser weiten Entfernung verdankte es Luisa, dass
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