Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
königliche Musterzeichnung nach Preußen oder Schlesien verscherbelt.“
Luisa lachte lauthals auf, obwohl sie das nicht wollte, weil es ihren Vater nur noch mehr aufbrachte.
„Oh ja, Luisa. Ihre eigene Großmutter würden die Weber zu Geld machen, wenn das ginge!“
Dass eine Weberin lange genug lebte, um noch Großmutter zu werden, kam selten vor. Aber den Gedanken sprach Luisa nicht aus. Vom Vater wurde sie jetzt über seine Augengläser hinweg angeschaut. Tiefe Falten auf seiner Stirn. Ihre Finger verharrten auf der Linienführung einer besonders aufwändigen Musterzeichnung für Bettwäsche. „Schaff uns die Patrone ran! Noch heut, sonst brauch ich morgen gar nicht erst zum Liebig und zum Haller rüberzugehen!“
Sie nickte. Ihr Vater war ja auch von den großen Verlegern abhängig. Er war nur das zweite Rädchen im Werk, nicht das erste. Sie versprach, die Sache zu erledigen. Noch am selben Abend.
„Und außerdem will Liebig den Meister Weber sprechen.“
„Wieso?“
Vaters Blick: Frag nicht, denk nach!
„Aber ich bin sicher, dem Meister geht es wieder gut.“
„Wir sehen keinen neuen Auftrag für ihn vor.“
Luisa stockte der Atem. Sie schaute Hilfe suchend auf die vielen Muster hinab und hätte ein jedes in die Obhut von Friedrich Weber gegeben. „Aber wieso denn nicht?“
Wieder der Blick. Er würde es ihr nicht erklären.
„Ach so.“ Unzuverlässigkeit, Krankheit, Sturheit, Unzuverlässigkeit ... Das kreiste eine Weile in ihren Gedanken umher, bis ihr Vater die Stille unterbrach: „Ich zwinge dich nicht, dem Meister diese Neuigkeit mitzuteilen. Ich werde auch den alten Liebig bitten, dem armen Teufel nichts davon zu sagen, bevor nicht der Ostritzer Auftrag fertig ist. Bei der Abgabe erfahren sie’s noch früh genug.“
„Worum geht’s dann morgen?“
„Das Meisteramt des Jungen.“
„Balthasar?“
„Nein, der andere.“ Ein Blick in die Bücher. „Caspar ... Du sagst kein Wort davon, ja?“
Sie nickte. Sie hatte einen Kloß im Hals, war befangen jetzt und wusste nicht warum.
„Aber die Vorladung wirst du ihnen bringen.“ Er tippte in seinem aufgeschlagenen Notizbuch auf eine Zeile mit Tag und Uhrzeit der Vorladung.
„Das ist morgen.“
Ihr Vater nickte. „Ja, am Vormittag die Leinwandabnahme, am Nachmittag der Termin, dafür brauche ich dich nicht ... und jetzt mach dich auf den Weg. Nimm den Hund mit.“
Es war früher Abend und der Vollmond tanzte auf den Eisrändern der Mandauschollen, die mit jedem Wirbel im Flussbett schaukelten. Aus den maroden hölzernen Dachrinnen waren ellenlange Eiszapfen gewachsen, die jetzt im Mondlicht glitzerten. Luisa lauschte dem gedämpften Anschlagen der Webstühle, dem „De-tschicke, de-tschacke“, das aus den Blockstuben der eingeschneiten Umgebindehäuser drang, und genoss die Einsamkeit, die sie mit niemand anderem als ihrem Hund teilen wollte.
Das Haus des Friedrich Weber war das kleinste der zweigeschossigen Umgebindehäuser auf der Gasse, die über der Mandau hing wie ein Balkon. Wie es üblich war, besaßen die Häusler Weber ein Stück Land von je einem Scheffel Fläche und ein Stück Wiese für Vieh von einem halben Scheffel. Die meisten Häuslerinnen pflegten einen Gemüsegarten, der im Sommer Rüben und Salat, im Herbst Kohl, Kartoffeln, Kürbis und im Winter nichts als schwarze, gefrorene Erde hergab. Man hielt sich Schafe. Die Schafe wurden geschoren, die Wolle zum Faktor gebracht, gewogen, verrechnet und anschließend in die Nachbarortschaften zum Verspinnen und Verweben gebracht. Hier webte man nicht mit Schafswolle. Man webte auch immer seltener mit reinem Flachs. Man verlegte sich auf die von weither importierte Baumwolle, weil man mit ihr viel leichtere Kleider weben konnte, die kamen in Mode. Meister Friedrich Weber war einer der Letzten, der mit reinem Leinen webte. Er machte sich nicht gerade beliebt mit seinem Starrsinn.
Luisa klopfte an.
Die Tür schwang auf. Und Caspar Webers Lachen erstarb, als er sie dastehen sah. „Ach nein.“ Er prüfte sie von oben bis unten, dann öffnete er ihr die Türe so weit, dass sie eintreten konnte.
„Soll der besser draußen bleiben?“ Sie deutete auf ihren mit dem Schwanz wedelnden Hund.
„Wie unbarmherzig von Ihnen.“ Unverhohlener Spott. Caspar Weber machte sich lustig über sie. Ein knappes Kopfnicken in Richtung Flur und sie drückte sich an ihm vorbei.
„Und was, wenn er sich in einen Mephisto verwandelt?“ Das sollte als Scherz verstanden werden, wurde
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