Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
so weit, Vater.“
„Das weiß ich doch. Niemand weiß das besser als ich. Aber wenn du nicht ans Heiraten denkst, tut es der Türpe für dich. Der will dich eher heut als morgen verheiratet und als Meister und bestenfalls in Mätzigs Fabrik sehen. Damit er selber raus aus der Geschichte von damals ist. Das willst du alles nicht, oder?“
„Den Gefallen tu ich ihm nicht.“
„Es geht nicht um deinen Rachefeldzug gegen Türpe. Es geht um deine Zukunft! Um deine unmittelbare Zukunft. Morgen schon können sie dir vor die Türe pinkeln, und wen hast du dann auf deiner Seite?“
„Dich und Herrmann.“
„Keine sehr starke Armee. Du weißt, wie misstrauisch alle sind. Und Neider gibt es überall. Es ist keine drei Tage geheim geblieben, dass du im Januar meinen Auftrag zu Ende gewebt hast und dass wir obendrein Abgabeaufschub von den Treuentziens bekommen haben. Bei voller Bezahlung. Der Türpe hat das spitzgekriegt und mit ihm die halbe Zunft. Die missgönnen uns natürlich die Vorzugsbehandlung. Kann man denen nicht verübeln ... Jedenfalls triff dich einfach nicht mehr mit der Tochter vom Schiffner, tu uns den Gefallen.“
„Ja, gut.“
„Wenn du dich weiterhin mit ihr triffst, wirst du sie heiraten! Klar?“
„Klar.“
„Würdest du sie heiraten wollen?“
Auf Vaters Worte war Caspar zu langsam mit einer Antwort.
„Willst du mit ihr bis ans Ende deiner Tage zusammen sein? Kinder? Weben? Fabrik? Die Schiffners sind beim Mätzig in der Fabrik, vergiss das nicht. Wenn du um ihre Hand anhältst, bist du auch in der Fabrik. Wirst es gut haben als Meister Weber. Man wird dich gut behandeln. Mit deinem Talent könntest du es beim Mätzig bis ganz nach oben schaffen. Wenn der erst einmal sieht, wie du zeichnen kannst! Vielleicht bezahlt er dir die Mustermalerschule oder so. Du könntest eins der großen Häuser im Oberdorf kaufen. Davon träumt deine Mutter, die Ärmste, noch heute. Du kannst all das haben. Aber es ist jetzt an der Zeit, darüber nachzudenken, ob du das auch wirklich willst.“ Eine Weile schwieg sein Vater.
In Caspar überschlugen sich die Gedanken. Er hatte eindeutig zu viel Bier getrunken.
„Willst du das? Willst du Emilie Schiffner?“
„Du lieber Gott, nein!“
„Der liebe Gott hat damit nichts zu tun, Caspar! Also: Halt dich zurück. Halt dich von ihr fern, halt vor allem deinen kleinen Schussschützen von ihr fern.“
„Vater, bitte!“ Caspar schaute sich um, ob sie auch nicht belauscht würden.
„Dafür ist es doch nicht etwa zu spät, hä?“ Der alte Meister gönnte sich abermals eine Pause und sah seinen Sohn eindringlich an.
Caspar mied den Blick in die Augen seines Vaters und log, während er den Kopf schüttelte. Er war mit Emilie Schiffner zusammen gewesen, ein paar Mal. Bisher war immer alles gut gegangen, da hatte er aufgepasst. Sollte jedoch irgendetwas schiefgegangen sein, wovon er noch nichts wusste, würde es ihn direkt vor den Traualtar katapultieren. Nichts zu machen. „Ich will sie nicht und ich werde mich von ihr fernhalten!“
Sein Vater klopfte ihm auf die Schulter und setzte den Heimweg fort, Caspar stützte ihn. „Du weißt, wie genau es Heinz Türpe mit der Reinheit des Ehebundes und all den Zunftgesetzen nimmt!“
Oh ja, das wusste Caspar, das hatte er an seiner Seele zu spüren gekriegt.
„Einen Zunftskandal kann sich keiner leisten, Junge, schon gar nicht wir!“
„Ich weiß, Vater.“ Er seufzte.
„Das hatten wir schon mal, Caspar!“
„Weiß ich.“
„Das Drama von damals hat uns fast die Weberlaubnis und mich den Ring gekostet.“ Der Alte tippte sich an sein linkes Ohrläppchen.
„Ja.“
„Der Türpe ist ein verlogenes Schw...“
„Er war mal dein bester Freund.“
„Verlogenes Schwein!“
Caspar lachte leise auf. Sein Vater konnte stur sein wie ein Junge, der zu Unrecht eines Vergehens beschuldigt wurde. Und so plötzlich er schnippisch wurde, wurde er wieder ernst: „Such dir ein liebes Mädel, Caspar, ich beschwöre dich. Such dir ein ...“
„... liebes, hübsches Mädel. Ich weiß, Vater. – Ich hab eins. Es liegt auf dem Friedhof.“
Der Winter verschwand vom Kalenderblatt, aber nicht aus der Landschaft. Schnee blieb Schnee, wenn auch ohne knackenden Frost. Schneeglöckchen und Krokusse zwängten ihre Köpfe mitleiderregend durch die übrig gebliebenen weißen Schneehäufchen.
Das Dorf erholte sich allmählich von dem Tribut, den es an den Winter hatte zahlen müssen. Die Bilanz der Heimgerufenen
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