Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Hübner
Vom Netzwerk:
„Ich kümmere mich um den Obermeister. Der darf Sie nicht belästigen, das hat er versprochen, wie gesagt. Und was Ihre Schwester anbelangt: Ich weiß nicht, ob es so gut wäre, sie dem Analphabetentum anheimzugeben.“
    Was war das? Sie hielt seinesgleichen für Analphabeten? So war das also! Er erhob sich. Es gab nichts mehr zu reden. Hätte sie kein so abfälliges Bild von ihm und seinesgleichen, hätte sie Sophies Schulbücher nicht ausgerechnet in jene Zeitung eingepackt, in der ein Artikel von diesem Fernheim abgedruckt war, mit dem er sich ausdrücklich und klipp und klar von handgezogenem Damast im Allgemeinen und Schmucktüchern im Speziellen distanzierte. Tja, Fräulein, man sollte nicht mit Dämlichkeit rechnen, wo man welche vermutet. Caspar hatte seinen Eltern noch nichts von seiner Entdeckung den Fernheim betreffend erzählt, weil sie sich nur aufregen und den Teufel an die Wand malen würden. Er war vielmehr gespannt darauf, wann Luisa Treuentzien mit der Wahrheit rausrücken wollte. Jetzt hatte er sein eigenes Spielchen.
    Er war noch keine drei Schritte weg, da meckerte sie: „Meine Güte, nun seien Sie doch nicht beleidigt! Wieso sind Sie immer so empfindlich?“
    Er drehte sich zu ihr um. Sie sortierte ihre Hutbänder, was schwer ging mit den Handschuhen. Es war so heiß. Handschuhe! Oh Gott. „Ich komme mit und kläre das mit Ihrem Vater, einverstanden?“
    „Nein.“
    „Wie bitte?“ Ein Nein war sie nicht gewohnt.
    „Die Leute werden über uns tratschen.“
    Jetzt zuckte sie mit den Achseln und sah sich suchend um. Keine Menschenseele. „Sie tratschen so oder so. Mein Vater will doch, dass ich mich mit Ihnen unterhalte ... also ... wollen wir?“
    „Nein, ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist, Fräulein Treuentzien.“
    „Nicht?“ Sie schien wirklich aufrichtig enttäuscht, ihn am Sonntag nach dem Gottesdienst nicht nach Hause begleiten zu dürfen. Das rührte ihn beinahe. „Also ... dann bis morgen zur Abgabe?“ Sie streckte ihm die Hand hin – Handrücken nach oben. Er beäugte argwöhnisch die Naht ihrer Handschuhe, packte ihre Hand, drehte sie und schüttelte sie, wie er einem Mann die Hand schüttelte.
    „Guten Tag.“ Er wusste ja noch nicht, ob er oder sein Vater oder Balthasar morgen die Leinwand ins Kontor der Treuentziens bringen würde. Das würde am Abend ausgeknobelt, so wie jeden Sonntag.
     
    In der Nacht zum Montag hatte er kein Auge zugetan. Und er schaffte es nicht aus dem Bett, weil er so zerschlagen war und weil ihn etwas daran hinderte aufzustehen. Er würde nicht aufrechten Ganges hinunter in die Stube gehen können. Peinlich. Er wartete und dachte nach. Gestern Abend hatte er nicht den Kürzeren gezogen. So gerne hätte er den Kürzeren gezogen, weil er sie so gerne wiedersehen wollte. Vielleicht nächsten Montag? Oder schon am Sonntag in der Kirche? Sieben Tage warten. Sieben Tage Leinwand weben und ihr Tuch. Ihr Gesicht. Ihr so hübsches kleines Gesicht. Sei nicht doof! Du kannst dich nicht ernsthaft in Luisa Treuentzien verlieben!
    Er aß sein Frühstück allein. Ein so seltener Luxus, den er genoss. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich ein Wams über das Hemd zu ziehen, dafür war es viel zu heiß. Die Hose hatte er am Bund aufgerollt, damit sie nicht zu lang war. Seine Haare waren noch nass vom Waschen. Er hatte sie im Nacken zusammengerafft. Strähnen fielen ihm immer wieder vor die Augen. Niemand da, der ihm sagte, dass er sich ordentlich machen sollte. Schön. Ein herrliches Gefühl, sein eigener Herr in seinem eigenen Heim zu sein. Jeden Moment würde eine seiner Schwestern vom Backhaus zurück sein oder Sophie würde aus der Schule kommen oder sein Bruder und sein Vater von den Treuentziens oder seine Mutter aus dem Garten. Er würde wohl nie sein eigener Herr in seinem eigenen Heim sein. Damit würde er leben können, solange er alle paar Wochen den Vormittag für sich hatte.
    Er nahm seine Butterschnitte in die Rechte, den Teebecher in die Linke und ging zum Damastwebstuhl. Er setzte sich auf das Fensterbrett, ließ seine nackten Füße baumeln, die ab und zu die Ledereimer anstupsten, die dort für Löschwasser hingen, jedoch leer waren, weil es wahrscheinlicher war, dass Caspar sie in all der Enge beim Besteigen oder Verlassen des Webstuhls umstieß und so eine Katastrophe verursachte, als dass der Webstuhl Feuer fing. Er schaute auf Luisas Gesicht hinab. „Guten Morgen, meine Schöne.“ Er grinste. Pff! Fernheim!
    Die Haustür

Weitere Kostenlose Bücher