Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Hübner
Vom Netzwerk:
Türpe sich auf die Zunftordnung beruft und die jüngste Witwe dem am längsten auf die Meisterwürde wartenden Gesellen antrauen lassen will.“
    Luisa griff sich vor die Brust. Diese Neuigkeit nahm ihr die Luft zum Atmen. Ihre Kehle war trocken, auf ihre Handflächen trat kalter Schweiß. Eigenmächtig, wie sie war, füllte sie ihren Becher selbst auf und trank ihn in einem Zug aus. Oh Gott, diese Zunftgesetze!
    Die Eheleute Weber beobachteten sie still.
    „Haben Sie Unterschulmeister Radisch schon zur Witwe geschickt?“
    Es war eine der lästigen Aufgaben des Unterschulmeisters, bei den Familien der Brautleute zu werben und das Aufgebot zu besprechen. Luisa sah das stille Kopfschütteln der Maria Weber. Und als sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen und zu begreifen, fiel ihr Blick auf das Monstrum von einem Damastwebstuhl. Sie erhob sich und durchquerte die Stube.
    Das gleißende Licht, das durch die Stubenfenster strömte, traf genau in jenem Winkel auf das aufgespannte Webwerk, dass Luisa nicht einmal den Kopf zu neigen brauchte, um die vom glänzenden Grund abgehobenen mattierten Strukturen des Musters erkennen zu können. Das war sie, kein Zweifel. Luisa schaute sich selbst in die Augen. Sogar das zu erahnende Leuchten ihrer Augen hatte der Musterleser eingefangen, ein Funkeln, das mit dem glänzenden Grundton des Musterhintergrundes wetteiferte. Obschon Luisa auf der Musterzeichnung todernst wirkte, schien sie jeden Moment lächeln zu wollen, kein Makel, keine Unfähigkeit des Musterlesers, sondern die Laune des Gewebes, das je nach Lichteinfallswinkel ein anderes Wesen seines Musters offenbarte. Ach, wenn er sie nur mögen würde! „Hat Caspar das Muster eingelesen?“
    „Ja, Fräulein.“
    Luisa hatte nicht bemerkt, dass der alte Meister ganz nah neben ihr an den Webstuhl herangetreten war. „Ganz allein?“ Jetzt beugte sie sich vor, um ihrem Ebenbild in Leinen eine andere Facette zu entlocken.
    „Die meiste Zeit ja.“ Beide betrachteten andächtig das zu Dreiviertel fertiggestellte Tuch. Es fehlten noch Stirn und Frisur, Restraum und die dem Damasttuch übliche Würfelkante am oberen Rand.
    „Er arbeitet unermüdlich“, hörte Luisa Maria Weber vom Stubentisch her sagen. Ihr Blick ruhte auf Sophie, die eifrig den lang gestreckt daliegenden Hund massierte.
    Luisa zwängte sich zwischen Webstuhl und Meister Weber hindurch, trat bestimmt auf. Ihr ganzer Körper war angespannt und kribbelte. Ihr Bauch insbesondere. „Sophie, willst du in die Schule gehen oder nicht?“ Das Mädchen nickte. „Nun“, Luisa wandte sich an die Eltern, die das Schulpaket auf dem Tisch anstarrten. „Ihr Sohn, Meister Weber, wird nicht begeistert sein, aber es ist Sophies Entscheidung. Ich werde die Bücher und das Schulgeld und all das nie in Rechnung stellen. Ich möchte, dass Sie mir mitteilen, wenn Sophie etwas benötigt.“ Luisa hielt inne. „Sie werden mir sicherlich nicht mitteilen, wenn Sophie etwas benötigt, also werde ich von Zeit zu Zeit bei den Schulmeistern Wenzel oder Radisch nachfragen. Betrachten wir Sophies Einschulung als meine persönliche Eitelkeit, die nichts mit Ihnen zu tun hat und für die ich keinen Dank erwarte.“ Sie drehte sich wieder zu dem Mädchen um. „Und du wirst fleißig lernen und eines Tages so begabt im Damastweben sein wie dein Bruder.“ Das war absurd, ein Wunschtraum. Ein Mädchen als Damastweberin, so etwas würde es nie geben, aber die Vorstellung gefiel Luisa, weil sie immer das einzige Mädchen zwischen all den Kaufherrensöhnen auf der Expedientenschule gewesen war. Verachtet, aber neugierig beäugt.
    „Vielleicht“, so überlegte Luisa, um die Erinnerungen an die grausamen Jahre auf der Kaufmannschule abzuschütteln, „könnte Sophie im Gegenzug zweimal wöchentlich Fleck bei mir abholen und ihn ausführen. Ich komme so selten dazu. Der arme Hund. Und du, junge Dame, wirst ihm dann beibringen, was du in der Schule gelernt hast, vielleicht wird aus ihm mit der Zeit dann doch noch ein hübsches Hündchen.“ Jetzt war sich Luisa sicher, dass Sophies Augen strahlten, und nicht nur die. Das ganze Kindergesicht war ein einziges Lächeln. Sophie dankte nicht Luisa, sondern Fleck, den sie sogleich aufs Neue mit ihren wüsten Streicheleien verwöhnte.
    Luisa musste sich eingestehen, von ihrer eigenen Mildtätigkeit verzückt zu sein. Sie verbat sich jedoch diese Gefühlsregung. Mit einem knappen Kommando rief sie Fleck und erinnerte Sophie an ihre Aufgabe. Dann

Weitere Kostenlose Bücher