Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
Sie seufzte über der Zeitung.
Christiana sah nun mit hochgezogener Augenbraue herüber, schüttelte leicht den Kopf, fuchtelte mit den Armen, „Fleck! Platz!“, und war hocherfreut, dass der Hund auf sie hörte und sich zu Luisas Füßen legte. Luisa tauschte die Tageszeitung mit einer von Christianas Damengazetten, in der ganz neue Schnittmuster und Stoffe vorgestellt wurden. Nichts als Blattranken und Blumenornamente. Es langweilte sie.
„Dein Vater würde es sich dir gegenüber nicht anmerken lassen, Luisa, aber er ist sehr stolz auf dich.“
„Welchen Grund hätte er wohl?“ Sich beißende Stoffe und Muster waren immer noch die Mode, wer sich das wohl ausdachte!
„Die Angelegenheit um die Witwe Wanger, du erinnerst dich?“
Luisa nickte, wollte nicht darauf eingehen. Ihr Vater hatte sie niemals dazu befragt, von wem der Taler Stuhlsteuer für Witwe Wangers zweiten Leinewebstuhl und die ausstehenden Zunftgroschen so plötzlich still und heimlich gekommen waren. Passten rosa Streifen zu grünen Punkten? Und Puffärmel so ausladend, dass man durch keine Tür passte. Pff! Luisa legte das Magazin aus der Hand. Christiana war zur Stelle, die achtlos beiseite geschobene Gazette ordentlich auf den Beistelltisch zu legen.
„Es tut dir gut, Luisa, dass dein Vater dir jetzt so viel mehr in den Geschäftsangelegenheiten vertraut. Du hast dich bewährt, glaub mir ... Kakao oder Tee? Ein Stück Erdbeertorte?“, deutete Christiana auf die Magd, die jetzt mit dem Nachmittagstablett hereinkam.
„Sowohl als auch, und Torte, bitte.“
„Gesegnet mit bestem Appetit, wie immer. Danke, Mathilde.“
Das Mädchen verließ den Salon.
„Luisa, unsere Väter sind beunruhigt.“
Was war das? Christiana so ernst?
„Karl Gotthelf etwa nicht?“
„Äh, nein, mein lieber Gemahl achtet sehr auf ausgefüllte Nächte in seinem Bett. Das, was sich in Sachsen zuträgt, scheint ihn nicht sonderlich aufzuwühlen, unsere Väter aber sehr! Oh ja, da guckst du, Luisa. Christiana in der Politik bewandert?“ Sie nippte am Tee. „Richard Musiak hat meinem Vater von einem Schmucktuch berichtet, das der Webermeister Weber auf seinem Zampelstuhl macht, obwohl er beurlaubt wurde ...“
„Richard Musiak ist wie ein Hund: steckt seine Nase überall hinein und schnüffelt hier und da, tut sich wichtig. Man weiß, dass er auch zuweilen der Lüge nicht abhold ist, nur um für jeden Furz, den er lässt, einen Groschen Belohnung zu kriegen!“
Christiana lächelte gnädig über Luisas rüde Wortwahl hinweg. Es war Luisa misslungen, von Familie Weber abzulenken. „Ich habe rein zufällig gehört, wie mein Vater und dein Vater, Luisa, darüber sprachen, in dem ominösen Schmucktuch, dessen Auftraggeber unbekannt ist, eine Verbindung zur sächsischen Handwerkerrevolte zu sehen.“
Luisa lachte auf: „Welch ein Unfug!“ Innerlich aber brodelte bloße Furcht in ihr. Da gab es eigentlich nichts zu lachen, wenn die Verleger und ihr Vater jetzt schon am Auftrag des Meisters Weber Anstoß nahmen. Sie hatte damit gerechnet, dass es Tratsch geben würde, aber schon so bald? Und sächsische Obrigkeitsstreitereien? Die Fantasie der Verleger kannte keine Grenzen! Sie musste mit Caspar Weber sprechen. Sie musste ihn warnen. Der Kakao war jetzt ausgetrunken. Luisa griff sogleich zur Teetasse, um sich an ihr festzuhalten.
Eine kleine Weile war es still. Nur Fleck schnaufte im Schlaf. „Luisa, unsere Väter schlugen etwas vor, das so abwegig scheint, dass sie es dir nicht selbst unterbreiten können – Männer!“
„Das wäre?“
Christiana stellte ihre Teetasse lautlos auf die Untertasse, nahm den Löffel auf und rührte in der Tasse, als könne sie im Wirbel der Pfefferminzblätter erkennen, was die Väter Treuentzien und Liebig ausgeheckt hatten. Dann sagte sie glasklar und in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete: „Du wirst herausfinden, wer der Auftraggeber des Schmucktuches vom Meister Weber ist und was es damit auf sich hat.“
Stille.
Luisas Tasse klimperte unschuldig auf dem Tellerchen. Die Torte war verspeist.
Christiana seufzte sehr theatralisch: „Eine Bürde, ich weiß, Luisa, aber ich denke, du bist die Einzige, die unsere Häuser vor der Schande bewahren kann. Du bist so einfühlsam mit den Webern. Mein und dein Vater kamen überhaupt erst auf diese Idee, weil du der Wangern so zur Seite gestanden hast. Und es ist auch undenkbar, dass unsere Väter im Privatleben der Webers herumstöbern könnten. So etwas kann nur
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