Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
ging auf, Schritte. Es war aus mit der Ruhe, aber er blieb sitzen, wo er war, ließ die Füße baumeln und aß.
Sein Vater kam geschwind in die Stube. „Guten Morgen.“ Er hatte unerhört gute Laune. Wieso? Lautlos formte er mit den Lippen den Preis, den sie heute für die Leinwand bekommen hatten. Den vollen Preis, das las er von Vaters Lippen ab, aber wieso benahm er sich so seltsam und wuselte durch die Stube, um Zeug aufzuräumen. Sein Vater räumte auf!
Balthasar drückte sich am Vater vorbei. Er hatte ganz rote Wangen und sah ihn so merkwürdig an. Vater schob mit dem Fuß die Haspel an die Stubenwand, denn sie stand mitten im Zimmer und diente als Wäschetrockner, weil die Trockenwiese vor dem Haus voll war. Balthasar machte auch mit, angelte Geschirr vom Tisch und packte es ins Wärmeröhr. Warum schaffte er es nicht raus in die schwarze Küche? Die Hornringe, die auf dem Stubentisch und überall herumlagen, schob Balthasar zu einem Häufchen zusammen. Na, Sophie würde sich freuen, wenn sie sah, dass Balthasar ihr mühsam gelegtes Blumenmuster kaputtgemacht hatte. Und in diesem Moment, als der Vater von allen möglichen Möbelstücken irgendwelche gewaschenen Socken und Hemden, auch Monatsbandagen von den Mädchen, fischte, bemerkte Caspar, dass es hier wirklich saumäßig liederlich war.
„Guten Morgen, Herr Weber.“
Caspar vergaß das Kauen. Mit einem Blick auf das Tuch vor ihm vergewisserte er sich, dass es dieselbe war, die da jetzt in der Stubentür stand. Vater und Balthasar standen Parade. Was wollte die hier? Und ihr Hund? Der hechelte zum Gotterbarmen. Luisa Treuentzien gebot dem Hund, sich neben die Türe zu legen. Der gehorchte. Natürlich gehorchte jeder Luisa Treuentzien! Jetzt wurde Caspar gemustert: von oben bis unten. Luisa wurde rot. Na ja, was platzte sie so in seinen völlig privaten Morgen herein? Er ärgerte sich, dass er sich nicht ordentlich angezogen hatte – und dann die nassen Haare. Herrgott!
„Entschuldigen Sie bitte die Störung, soll ich später ...?“
Er schüttelte den Kopf. Sie lächelte dieses Lächeln, das ihn schaffte. Er glitt vom Fensterbrett, legte die Butterschnitte beiseite, stellte den Becher ab. Die Hände wischte er sich an seiner Hose sauber.
Luisa Treuentzien atmete tief und leicht und strahlte, während Friedrich Weber ihr einen Becher mit Kräutertee und einen Stuhl am Stubentisch anbot. Heute hatte sie gar keine Handschuhe an und trug eine ganz schlichte Strohschute mit grünem Band. Überhaupt sah sie aus wie jemand auf der Jagd, weil alles an ihr grün war, auch die Augen.
„Das Fräulein ist gekommen, um die Sache mit der Schule zu bereden“, sagte Friedrich Weber.
„Hm-mmh“, machte Caspar beim Kauen, schaute von dem einen zur anderen und wischte sich den Mund mit dem Ärmel sauber. Er war gespannt, was das würde. Streit oder Freud?
Oh, in was hatte sich Luisa hineinchauffiert? Vielleicht war sie doch zu weit gegangen, als sie ein fremdes armes Webermädchen einfach mir nichts, dir nichts zur Schule angemeldet hatte.
Zumindest Caspar Weber hatte sie so in Wut gebracht, dass er Türen knallend das Haus verlassen hatte. Maria Weber versuchte sich für ihre Tochter einzusetzen, denn sie wusste, welche Zukunft eine ungebildete Weberin erwartete. Meister Weber war uneinig, ob er sich der Empörung seines Sohnes oder der Fürsorge seiner Frau anschließen sollte. Immerhin hatte Matthias Kollmars emaillierter Globus Schulgeld für vier Jahre eingebracht. Wer hätte das gedacht? Luisa nicht.
Erst Sophie, um die die ganze Zeit gestritten worden war, vermochte es, den Streit zu beenden.
Luisa und die Eltern Weber betrachteten Sophie, die Fleck überschwänglich begrüßte. Mit einem leichten Anflug von Neid beobachtete Luisa, wie die Kleine ihren Eltern einen Kuss zur Begrüßung gab, als hätten sie einander heute noch nicht gesehen. Bei ihnen wurde nicht geküsst, wenn man von Handküssen, die eigentlich Handhauchungen auf Handschuhen waren, einmal absah.
Luisa schob den Stapel mit Büchern, der jetzt auf dem Tisch lag und beäugt wurde wie eine Reliquie, demonstrativ in Meister Webers Richtung. „Nehmen Sie Sophies Schulhilfe als Dank dafür, Meister Weber, dass Sie mit mir ins Geschäft bezüglich des Schmucktuches gekommen sind.“
Sophie ließ sich von ihrer Mutter einen Becher Tee bringen. Bei der Gelegenheit räumte Maria Weber das angebissene Brot fort, das Caspar achtlos auf dem Fensterbrett liegen gelassen hatte, legte
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