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Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Hübner
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konnten. Sie zählte irgendetwas an ihren Fingern ab, verknotete dieselben ineinander und überlegte. Was sie dann murmelte, war sicher nicht für Caspar, sondern für sich selbst bestimmt: „Die sind doch nicht so dumm.“ Sie drehte sich zu Caspar um. „Die werden doch nicht ihre Webstühle und die Qualität ihrer Ware mit achtzig Ellen Leinwand pro Woche ruinieren, oder?“
    „Willst du damit sagen, dass wir pfuschen?“
    Luisas strafender Blick sagte mehr als alle wütenden Worte. Sie überging Caspars gereizte Äußerung. „Es ist Liebig nicht zuzutrauen, seine Lohnweber mit solch irrsinnigen Auflagen zu strapazieren. Liebig mag ein Geizkragen sein, aber er rühmt sich gern mit einwandfreier Ware. Fragt sich bloß, wer etwas davon hat, euch zu schikanieren. Glaub mir, die achtzig Ellen kommen nicht vom Liebig.“
    „Schon gut, zerbrich dir nicht unseren Kopf.“
    Dafür wurde Caspar mit einem entgeisterten Augenaufschlag gestraft. Schnell wurde Luisas Blick weicher: „Ich brauche das Tuch übermorgen, Caspar, das ist unheimlich wichtig. Ich will, dass ihr die Leinwand ruhen lasst und am Tuch weitermacht!“
    „Du bist vollkommen übergeschnappt!“ Caspar wandte sich zum Gehen. Er war fertig mit ihr. Er wollte seine Ruhe.
    „Oh nein, mein Lieber, diesmal verschwindest du nicht sang- und klanglos! So bedeutend bist du nicht, dass du immer dann die Bühne verlässt, wenn sich das Stück der Katastrophe nähert!“
    Er blieb stehen, drehte sich wieder um und ertappte sich dabei, ehrlich amüsiert über dieses Fräulein Treuentzien zu sein.
    „Ich werde deinem Vater übermorgen, am Sonntag, dem Fünfzehnten, früh um sieben einen Besuch abstatten. Er wird mir das Tuch und die Zeichnung aushändigen und ich werde ihm den Restbetrag auszahlen. Ich werde mit Türpe sprechen und ihr werdet am Montag die Leinwand abliefern, die ihr eben fertig habt. Wie viel habt ihr?“
    Caspar nannte ihr die Menge, die er und seine Familie bis zur Stunde gefertigt haben dürften.
    „Also gut, fünfundfünfzig Ellen. Karl Gotthelf Haller frisst mir aus der Hand, der arme Kerl. Und außerdem habe ich den alten Liebig und seine Tochter seit jeher auf meiner Seite. Was wird der Türpe schon ausrichten können?“
    Du hast keine Ahnung, was der Türpe alles ausrichten kann!, durchfuhr es Caspar bitter. Er sagte nichts, sondern beobachtete sie. Es war nicht so sehr, was sie sagte, sondern die Art, wie sie alles sagte, wobei sie im engen Flur auf und ab ging, immer wieder stehen blieb und vor sich hinstarrte. Sie dachte laut nach. Das war, was ihn beeindruckte und was er noch an keinem Menschen beobachtet hatte: Diese Entschlossenheit, dieser Ehrgeiz. Diese Frau schien mehr an dem Tuch interessiert zu sein als der Verleger an jedem seiner früheren Aufträge.
    Abrupt blieb sie vor ihm stehen und fasste ihre Geistesblitze mit jener mädchenhaften Unbedarftheit zusammen, die einzig sie und sonst niemand in der Textilbranche sich erlauben durfte. Sie sagte: „Ich werde die Bücher ändern und dem Haller einen Kuchen backen!“ Sie nickte zu ihren eigenen Worten. „Gotthelf Haller isst so schrecklich gern, wenn ich ihm Gesellschaft leiste. Arme Christiana! Ich werde ohne Weiteres sein Signum unter die geänderte Auflage bekommen, wenn er einen frischen Obstkuchen vor der Nase hat ... Was gibt es da zu grinsen, Caspar Weber?“
    Caspar hatte nicht bemerkt, dass er schmunzelte.
    „Du glaubst nicht, dass ich das kann, oder?“
    „Ich glaub, die Leute fressen dir aus der Hand!“, nickte er und klang schrecklich resigniert.
    „Ich meinte, du glaubst nicht, dass ich Kuchen backen kann.“
    Jetzt zuckte er mit den Achseln, er war ehrlich unsicher.
    Luisa schaute säuerlich drein und schickte sich nun an, mit ihrem Zeichenkram und ihrem Hund das Weberhaus zu verlassen. „Ich werde hier sein: übermorgen um sieben.“ Sie hatte die Haustür bereits in der Hand, da schloss sie sie noch einmal und sagte mit leiser Stimme, in der wieder dieser Wagemut lag: „Es gibt übrigens keine Kopie des Portraits. Im Grunde habt ihr mich in der Hand, nicht ich euch. Wenn also irgendetwas schiefgeht, stehe ich blöd da, nicht ihr. Ihr könnt die Zeichnung spurlos verschwinden lassen, als hätte es sie und den Auftrag nie gegeben. Ich aber habe mich zu verantworten.“ Damit ließ sie Caspar stehen. Er war überwältigt und erschöpft, endlos erschöpft.
     

     
    Es war noch vor sieben Uhr am Sonntagmorgen. Da stand Luisa vor der Tür der Häusler. Sie

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