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Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Hübner
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macht weiter bis vier Uhr früh.“
    Die Frau sah sich verstohlen nach der Tür zum Altenteil um, hinter der der Leinewebstuhl donnerte. „Und die anderen? Und Sie? Wann arbeiten Sie, oder verbringen Sie den lieben langen Tag mit Spaziergängen und ...“
    Das reichte! Ihm platzte der Kragen. „Jetzt hör mir mal gut zu, du kleines, arrogantes Expediteurstöchterlein.“
    Luisa stutzte.
    „Es geht dich einen feuchten Kehricht an, wie viel oder wie wenig hier gearbeitet wird! Ich hab schon lange die Nase voll von deiner ewigen Bevormundung. Du kannst dir sicher sein, dass du dein bescheuertes Tuch kriegst, sobald es fertig ist, keinen Tag früher oder später! Und dann will ich, dass du deinen Hund und deine Schulbücher und deine Musterzeichnung packst und dich aus meiner Familie heraushältst!“ Er war den letzten zwischen ihr und ihm klaffenden Schritt auf Luisa zugegangen und stand nun so dicht vor ihr, dass er ihren Atem auf seinem Gesicht spüren konnte. Zwischen ihre Nasenspitzen hätte gerade noch eine kleine Rolle Garn gepasst. Er stand so dicht vor ihr, dass er Luisa schlucken hören konnte. Die Luft zwischen ihren Gesichtern kribbelte auf seiner Haut. Es wäre so einfach, so einfach, aber er tat es nicht. Er traute sich nicht. Einen Moment lang hingen ihre Münder so dicht voreinander, dass er sie ihre Worte formen sehen konnte, bevor er sie hörte:
    „Wie redest du mit mir!?“ Luisas Stimme war leise und dünn. Ihre Augen wanderten über sein Gesicht, ohne Halt zu finden.
    „Genauso, wie schon längst mal einer mit dir hätte reden sollen!“
    Es drang nun eine andere, eine ältere und tiefere Stimme an sein Ohr. „Was schreit ihr hier so herum?“
    Caspar und Luisa stoben auseinander.
    „Herrgottnocheins!“ Friedrich Weber stand im Schlafrock, mit Schlafmütze und Pantoffeln am oberen Rand der Treppe und blickte auf sie herunter. Seine Augen waren verquollen vor Müdigkeit und verengt vor Skepsis, genau wie bei Caspar, wenn er etwas missbilligte. „Was geht hier vor, Caspar?“
    „Sie will das Tuch übermorgen.“ Caspar blickte Luisa an, während er sprach.
    Sie beobachtete seinen Vater, der nun mit schlurfenden Schritten die Stiege herunterkam.
    Friedrich Weber erreichte den Fuß der Treppe, stellte sich neben das Fräulein, reichte ihm die Hand und nickte. „Na sicher will sie ihr Tuch, das war ja schließlich so vereinbart: Übermorgen ist Mariä Himmelfahrt – ein freier Tag, auf den ich mich schon lange freue!“ Er wollte an den beiden jungen Leuten vorbeigehen, da wurde er von Caspars fragender Miene aufgehalten. Sein Vater kam ihm mit einem resignierten Augenaufschlag, einem Seufzen und einem kaum merklichen Schulterzucken bei und verschwand in der Stube.
    „Ich wollte ihn nicht wecken“, hörte Caspar Luisa sagen. Er wandte sich ihr wieder zu. Ihr Blick ruhte noch immer auf der geschlossenen Stubentür. Sie sah so traurig aus. „Dein Vater sieht wirklich gar nicht gut aus.“
    Das wusste Caspar. Darauf brauchte ihn ein Fräulein von und zu Hochnase nicht hinzuweisen. „Meine Leute schuften sich halbtot für dein Tuch und die achtzig Ellen Leinwand. Keiner von uns schläft mehr als sechs Stunden am Stück. Wir arbeiten am Tuch, wann immer wir Zeit fin...“
    „Moment mal!“ Luisa hob die rechte Hand und Caspar verschluckte sich beinahe an den Worten, die er weiter hatte sagen wollen. „Achtzig Ellen? Wieso achtzig Ellen, was redest du da von achtzig Ellen?!“
    Wie bescheuert es klang, wenn man ein Wort immer wieder sagte, überlegte Caspar. „Die achtzig Ellen Leinwand pro Woche, die uns Liebig verlegt hat.“
    „Nein, nein.“ Luisa schüttelte energisch den Kopf und suchte auf dem Steinfußboden nach der Entwirrung des Chaos. „Das wüsste ich. Davon steht nichts in den Büchern. Ich wunderte mich übrigens, wieso ihr in den letzten Wochen immer viel mehr abgegeben habt als die üblichen sechsundfünfzig. Vater glaubt, ihr übersteigt die Auflage, weil, na ja schließlich wird Elsbeth im nächsten Frühjahr heiraten, wenn ich das Protokoll richtig in Erinnerung habe. So eine Hochzeit kostet.“ Sie räusperte sich und ließ ihre Finger abermals zu ihren Schläfen wandern, bevor sie weitersprach: „Ich dachte, ihr macht deshalb mehr Leinwand, aber von Liebig & Co. kommt das nicht, oder doch?“
    Luisa stutzte, stand still mitten im Flur und starrte vor sich hin. Sie dachte angestrengt nach. Das Einzige, was sich an ihr regte, waren ihre Finger, die nicht stillhalten

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