Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
nichts zu lächeln gab. Vielleicht war es einfach die Tatsache, dass sie zusammen durchs Dorf spazierten, sodass sich die Häusler die Hälse nach ihnen verrenkten. In der Tat fand er es jetzt auch gar nicht mehr unerträglich heiß. Luisas Koketterie hatte ihn mächtig abgekühlt. „Was ist mit Köpfen? Zeichnen Sie auch Portraits?“
Sie verneinte und da war irgendetwas an ihr, das ihn stutzen ließ. Sie war verändert, nur einen Herzschlag lang. Ihre Augen irrten unruhig über die Landschaft.
Sie kamen an die Gabelung nach Auf dem Sande. Erst jetzt bemerkte Caspar, dass Luisa Treuentzien keine Anstalten machte, den Heimweg anzutreten, sondern neben ihm zu seinem Haus marschierte. Das „De-tschicke, de-tschacke“, das sein Bruder dem Leinewebstuhl abnötigte, war bis auf die Straße zu hören und vermengte sich mit dem Klacken und Schlagen der Webstühle in der Nachbarschaft.
„Also bis übermorgen, Herr Weber.“
Er schüttelte den Kopf, ahnte, was kommen würde und rieb sich die Augen. „Mein Vater hat am Montag wohl etwas versäumt, mit Ihnen zu besprechen, Fräu...“
„Ich liebe den Klang von Webstühlen, Sie nicht auch?“
„Nein.“
Luisa Treuentzien atmete tief ein und strahlte vor sich hin, als sei sie auf einer Kurfahrt und nicht im Weberviertel. „Es hat so etwas Pathetisches an sich. So etwas Kraftvolles, Schöpferisches, oder?“
Caspar zuckte mit den Achseln. Über den Klang der Webstühle hatte er sich nie Gedanken gemacht.
„Was hat Ihr Vater vergessen, mit mir zu besprechen?“
„Kommen Sie rein!“ Er nahm sie behutsam am Ellbogen und führte sie, bevor sie hätte zustimmen oder ablehnen können, in den Flur des Umgebindehauses.
Sie schaute sich verdutzt um und bot beinahe Anlass zum Schmunzeln, aber das, was Caspar ihr zu sagen hatte, war ganz und gar nicht lustig. „Es wird nicht fertig bis übermorgen.“
Fräulein Treuentzien überlegte eine Weile und machte ein Gesicht, als habe er schlecht artikuliertes und ihrem feinen Gehör Schmerz zufügendes Französisch gesprochen. „Ich denke, es wird wenig Aufsehen erregen, wenn ich bei Ihrem Herrn Vater am Sonntag noch vor dem Gottesdienst vorstellig werde. Sagen wir gegen sieben Uhr?“
„Sie haben mir nicht zugehört. Es wird nicht fertig bis Sonntag.“
Luisa Treuentzien schüttelte den Kopf und presste dabei die Zeigefinger beider Hände gegen ihre Schläfen. „Was meinen Sie damit?“
„Red ich so undeutlich?“
„Das nicht, aber ich bin geneigt, das, was ich gehört zu haben glaube, meiner Fantasie oder den Auswirkungen der unerträglichen Hitze zuzuschreiben.“
„Und ich bin nicht geneigt, aus mir einen Idioten machen zu lassen, Fräulein. Daher lesen Sie jetzt meine Lippen: Das Tuch wird nicht fertig bis übermorgen!“
Das Fräulein knallte seine Zeichenmappe auf die Truhe unter der Wandgarderobe. Caspar und der Hund zuckten zusammen. Dann stemmte Luisa die Hände in die Hüften und deutete mit dem Finger auf ihn: „Sie stehen mit mir und diesem Tuch im Vertrag!“
„Ich nicht! Mein Vater!“
„Sie müssen nicht laut werden, bitte!“
„Und Sie müssen nicht alles absichtlich falsch verstehen. Mein Vater und Sie und dieses Tuch sind an einen Vertrag – einen mündlichen, wohlgemerkt – gebunden und mein Vater kann die Auflage nicht erfüllen, nicht bis zum Fünfzehnten.“
Die Frau wiederholte die Geste mit ihren Fingern an ihren Schläfen und kniff die Augen zusammen. Vielleicht dachte sie nach, vielleicht überlegte sie, welche Gemeinheiten sie ihm an den Kopf werfen könnte. Und möglicherweise würde sie jeden Moment ohnmächtig werden. Ihre Wangen waren jetzt rosarot und hoben sich deutlich von ihrem sonst sehr blassen Gesicht ab. Die dunkelbraunen Haare umschlossen ihr Gesicht wie ein Fensterrahmen; rot wie Blut, weiß wie Schnee und schwarz wie Ebenholz. „Ihr Vater, wo ist der?“, hörte Caspar Schneewittchen knurren.
„Im Bett.“
„Am helllichten Tage?“
„Nicht, wenn Sie noch lauter schreien!“
Jetzt presste sie die Lippen aufeinander und funkelte ihn wütend an. Ihre Augen hatten ganz deutlich die Bernsteinfarbe ihres Kleides und ihres albernen Hutes angenommen, wie schon oben auf dem Berg. Luisa sah hinreißend aus, während sie sich das Hirn zermarterte. „Ist Meister Weber wieder krank?“
Caspar schüttelte den Kopf. Er war überrascht über den trügerischen Umschwung in ihrer Stimme. „Nein, er hat Pause, bis sieben, dann legt sich Balthasar hin und mein Vater
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