Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
im rechtwinkligen Hof hingen die Wäscheleinen durch von den dunkelblauen Stoffbahnen.
„Wollen wir nicht lieber einen Steinwurf östlich am Hofe hinabsteigen?“
Caspar seufzte. Ihm war heiß. Die sommerliche Mattigkeit hatte ihn voll erwischt. Er war sich selbst entglitten, wusste nicht wann, aber selten war er sich so fremd gewesen. In diesem August bekam er eine Ahnung davon, wie sich Sophies Wachsfigürchen zwischen den aufgeheizten Doppelfenstern fühlen mussten.
Luisa zögerte. Caspar konnte ganz genau ihre Unsicherheit erkennen, konnte ihre Schüchternheit bis in sein eigenes Mark hinein spüren. Sie schwiegen während des Abstiegs und Caspar vermutete, dass nicht aus Versehen Luisas linker kleiner Finger immer wieder seine Hand streifte. Jede ihrer Berührungen ließ seinen Arm, seine Schulter, seine Brust, sein Herz flimmern.
Erst als sie am Armenhaus vorüber waren, gewann Luisa ihre gute Laune zurück, rückte zu seinem Bedauern ein Stück von ihm ab und fand ihre Stimme wieder: „Stimmt es, was ich höre? Sie haben den Türpe vermöbelt?“ Grübchen in den Wangen und Strahlen in den Augen.
Caspar hatte Luisa nie zuvor so heiter gesehen. Er lächelte, obwohl er nicht wollte. „Nein.“
Sie sah ihn ungläubig an. Ihre Grübchen blieben, wo sie waren.
„Ich hab ihm eine verpasst, aber ich hab ihn nicht verprügelt!“
„Warum nicht?“
Hatte er sich verhört? Sein Lächeln kriegte er vorerst nicht aus seinem Gesicht.
„Ich meine“, sie räusperte sich und schien sich erst jetzt darüber klar zu werden, dass ihr Benehmen nicht zu ihrem Aufzug passte, „warum haben Sie das getan?“
„Ich weiß nicht.“ Caspar blickte zur Mandau hinab und spürte Luisas forschenden Blick auf seinem Gesicht. „Ich höre, Sie haben Türpe bestochen, dass er uns in Frieden lässt!“
„Genau!“ Sie schien sehr stolz auf sich zu sein.
„Aber er lässt uns nicht in Ruhe!“
Sie blieb abrupt stehen und war nun ganz und gar nicht mehr heiter. „Immer noch nicht?“ So plötzlich der Ernst der Situation von ihr Besitz ergriffen hatte, so rasch wollte sie ihn wieder loswerden. Sie zuckte leichthin mit den Achseln und ging weiter.
„Er sagt, er hat Ihnen das Geld zurückgegeben.“
„Hat er nicht. Der Gauner.“ Die Worte waren nicht wütend über ihre Lippen gekommen, sondern begleitet von Spott. „Dann werde ich noch mal mit ihm reden müssen.“ Sie rieb Daumen und Zeigefinger ihrer freien Hand aneinander und zwinkerte Caspar vielsagend zu.
Er grinste. Was war los mit Luisa Treuentzien? Sie zwinkerte ihm zu wie eine, die beim Kartoffelklauen erwischt worden war und wusste, dass man sie nicht bestrafen würde. Sie war wirklich süß. Wie konnte sie das Leben so leicht nehmen? Das wollte er gern wissen. Da gingen die Sachsen und Preußen, die Franken und Franzosen und die Rheinbünder auf die Barrikaden; da marschierten die Handwerker und Häusler vor die Verleger, dass die und ihre Gutsherren sich reihenweise aufhängten; da fuhr man großes Militär auf, formierte Bürgergarden, um für Ordnung in den Städten zu sorgen, weil es Stadtschreibern, Gerichtsbeifronen und Kreishauptmännern an den Kragen ging, und ein Fräulein Treuentzien flanierte mit seinem Zeichenutensil in aller Seelenruhe durch die Ortschaft – in Begleitung eines Webers, wohlgemerkt – und schien gar nicht an den Ereignissen in der Welt interessiert zu sein. Womit versüßte sich Luisa das Leben? „Was zeichnen Sie so?“
Sie seufzte, als hätte er sie auf ihre Bürde hin angesprochen. „Landschaften.“
Caspar lachte lautlos auf: „Das muss wahrlich die unausweichlich folgende Langeweile auf einen genüsslichen Tag im Kontor sein.“
„Und Sie?“ Das hatte Luisa Treuentzien sehr spitz zurückgeworfen. „Haben Sie nicht irgendeine Leidenschaft?“
Caspar konnte nicht glauben, was er da hörte.
„Irgendeinen Zeitvertreib außer der Weberei meine ich.“
Caspar schwieg.
„Was machen Sie gern? Wofür interessieren Sie sich?“
„Ehrlich gesagt hab ich keine Zeit, mich für irgendetwas anderes als für meine Arbeit zu interessieren.“ Er vermied es, sie anzusehen. Es gab haufenweise Dinge, die ihn interessierten und über die er nachdachte. Sie war eines davon. Aber das würde er niemals zugeben.
„Ach, seien Sie nicht albern. Sie brauchen von mir kein Mitleid zu erwarten, Herr Weber, denn irgendwann hat selbst der Papst Zeit, was anderes zu tun als zu beten!“
Caspar lächelte wieder leise, obwohl es gar
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