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Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Hübner
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Türpe, der immer noch lamentierte: „Wir sollten dem Vorbild der Leipziger folgen!“
    Leipzig! Seit Tagen ging es um nichts anderes als um Leipzig. Luisa. Mensch! Wieso musste sie dort sein und er hier! Wie ging es ihr wohl und was machte sie gerade?
     

     
    Luisa beäugte argwöhnisch den leicht im Septemberwind tanzenden Seidenvorhang ihres Hotelzimmers. Es war ein furchtbarer Lärm an diesem zweiten September 1830 und Leipzig war ein Tollhaus.
    Niemand setzte mehr einen Fuß auf die Straße – zumindest keiner von den Industriellen. Die waren an ihrer Abreise gehindert worden und saßen die Tage im Hotel aus. In den Tageblättern war von Unruhe die Rede, von Fackelzügen, glühendem Schnaufen gleich, von Parolen, nicht würdig, sie wiederzugeben.
    Ludwig Treuentzien packte seine Sachen zusammen. Ihn würde niemand in Leipzig halten können. Er verbat Luisa, den Kopf aus dem Hotelfenster zu stecken, geschweige denn einen Fuß auf den Balkon oder nach draußen zu setzen. Bettine war außer sich vor Angst. Sie hockte im Salon, unfähig, das Essen von der Küche heraufzuholen, und betete in einem fort.
    Ihr Vater trug jenen gelben Rock, den Luisa für ihn am letzten Messetag erstanden hatte. Dazu die grün-in-grün-karierte Weste. Die Farben schrien einander an wie der Pöbel auf der Straße.
    Am dritten und vierten September gab es keine Tageszeitung. Nur Flugblätter. Deren Texte widersprachen einander. Die Stadt schien im Ausnahmezustand zu sein. Niemand wusste etwas über die Ereignisse zu berichten und jeder hatte Angst um seine Haut. Luisa wurde erdrückt von der spätsommerlichen Schwüle, die sich im ungelüfteten Hotelzimmer wie eine fette, faule Tarantel festgesetzt hatte. Sie war erfüllt von Heimweh und Sehnsucht nach ihrer Familie. Und nach Caspar. Wie es ihm wohl ging? Ernsthafte Zweifel am tieferen Sinn ihrer Existenz nagten an ihr. Die Abende brachte man mit Kartenspielen zu, aber niemand war wirklich bei der Sache. Man harrte aus, schlief schlecht, aß schlecht ...
    Am fünften September war der Spuk vorbei, vielleicht weil Sonntag war und die Leute lieber wieder brav in die Kirche gingen. Aber der Rat der Stadt, das Polizeihauptquartier, der Oberhofrichtstuhl, Bordelle, Schnellpressen und die Lohnkutschen der Landeshauptmänner waren überfallen worden. Der Flächenbrand, den Luisa und ihr Vater vom Hotelzimmer aus als ein in der Ferne züngelndes Gewitter wahrgenommen hatten, war in Leipzig erloschen und hatte sich, wollte man den hoteleigenen Wichtigtuern glauben, den Rest des Landes gegriffen.
    Luisa wartete auf Nachricht von ihrem Vater, hoffte darauf, dass man sie nach Hause holte. Erfuhr, dass Gotthelf Haller Christiana und den Rest der Familie rechtzeitig von zu Hause weggeholt hatte und dass auch zu Hause die Weber verrückt geworden waren. Caspar! Sie war außer sich vor Sorge. Nichts Genaues erfuhr sie aus Vaters Briefen und das machte sie wahnsinnig. Luisa ließ sich aus der Bibliothek mit Literatur versorgen, denn Bettine achtete streng darauf, dass sie in ihrem Hotelzimmer blieb. Was Luisa von den Wochen dort in Erinnerung behalten sollte, waren die Bücher, die sie Seite um Seite durchblätterte und von denen sie kein einziges Wort im Kopf behielt.
     

     
    Caspar nahm einen langen Zug aus dem Bierkrug und beobachtete den alten Treuentzien, während die Septemberversammlung zu eskalieren drohte. Ludwig Treuentzien mühte sich ab, die aufgebrachten Weber zu beruhigen. Caspar würde sich eher die Zunge abschneiden, als Ludwig Treuentzien nach dem Befinden seiner Tochter auszufragen, aber er kam um, wenn er nicht bald etwas von ihr hörte!
    Vor zwei Wochen war Ludwig Treuentzien nach Hause zurückgekehrt. Allein, ohne Karl Gotthelf Haller, ohne Luisa und ohne diese spillerige Magd Bettine. Ganz allein in seinem schicken neuen Anzug und der albernen grünen Weste. Caspar durfte nicht darüber nachdenken, was die rempelnden, blaffenden und revoltierenden Bauern und Häusler mit einem Expediteursfräulein anstellten, bekamen sie mal eins zu fassen.
    Caspar war es ganz elend seit dem Tage, da er von den Unruhen gehört hatte. Luisa! Er konnte nachts nicht schlafen, weil er sich sorgte. Er war dumm gewesen, weil er sie nicht geküsst hatte, als er die Gelegenheit dazu gehabt hatte, und es ärgerte ihn jetzt, dass er sie so vermisste, obwohl sie ihm gestohlen bleiben sollte. Sie hatte so viel gelogen!
    Seinesgleichen waren der Grund, warum sie fort war und fort blieb. Seine Zunftgenossen

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