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Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Hübner
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nicht endlich freien Lauf ließ.
    Er lief mit zu den Häusern anderer Verleger. Nicht alle waren verwaist. Seine Steine zertrümmerten Fenster, Kaufleute wurden aus den Häusern gezerrt. Und erst, als er die Tochter eines namhaften Verlegers verrückt vor Schreien und blind vor Tränen im nächtlichen Vorgarten stehen sah, verstummte er und blickte sich um. Weber – der Kerner vorneweg – spuckten den Kaufherren in die Gesichter, zupften dem Mädchen an den Haaren, verwüsteten das Haus und brüllten.
    Das wollte Caspar nicht. Er wollte nicht quälen und stehlen. Er wollte ehrlich Geld verdienen.
     
    Caspar war nicht mit nach Zittau vor den Rat gezogen, um sich vor der Herrschaft auszukotzen, sondern hatte sich in seiner Kammer verkrochen und sich ernsthaft gefragt, wozu all die Mühe gut war, wozu all der Aufstand, wozu all das Leben.
    Die, die sich an den Verlegern und deren Hab und Gut vergriffen hatten, waren eingesperrt worden. Einer nach dem anderen. Und dann, die Hälfte des Monats September war längst vergangen, kehrten die feigen Verleger und ihre Sippen zurück. Caspar hatte beobachtet, wie Ludwig Treuentzien die Feiglinge stumm anklagte, weil sie sich verkrochen hatten. Die Verräter! Man hatte den Zeitpunkt der Rückkehr bewusst gewählt.
    Die Webpause, in der die Häusler mit den Bauern auf den Feldern der Gutsherrschaft schufteten, war eine Gelegenheit, alle Gemüter abkühlen zu lassen. Alle waren zurück: die Hallers, die Liebigs, die Mätzigs, alle. Nur nicht Luisa.
     

     
    Ende September kehrte Luisa zurück, nicht gleich nach Hause, sondern erst einmal zu den Großeltern in der Nachbargemeinde, wo sich ihre Familie häuslich eingerichtet hatte.
    „Aufrührer“ , lautete die Schlagzeile, die Luisas Großvater, Pfarrer Markant, aus den Zeitungen vorlas, die sie von unterwegs mitgebracht hatte. „Zum Teil junge Leute von fünfzehn bis sechzehn Jahren, meist mit Schurzfellen bekleidet und mit eisernen Stäben und anderen Werkzeugen bewaffnet, marschieren zum Amtshaus am Neumarkt zu Chemnitz und fordern unter Schreien und Drohen die Freilassung der Inhaftierten aus der Fronfeste zu Chemnitz.
    Amtshauptmann und Statthalter von Polenz wird mit Steinen beworfen, unter dem Versuch, die Menge zu beschwichtigen. Die Bürgergarde, die hier wie anderswo aufgestellt wurde, von deren Mannschaft nur ein Dutzend zum Platz vorgerückt war, konnte den Pöbel nicht beschwichtigen. Amtshauptmann von Polenz zögert die Einhaltung der Forderungen hinaus, kann aber dem drängenden Volke nicht beikommen. Die fünfzig verhafteten Bauern und Häusler wurden durch rohe Gewalt befreit.“
    Luisa beobachtete ihren Vater, der die Zeitung vom Großvater entgegennahm und den Artikel überflog. „Sie sind stark“, sagte er, wobei nicht klar war, zu wem er sprach. „Ihr Selbstbewusstsein ist gestärkt. Und dieses Selbstbewusstsein kann man ihnen auch nicht verübeln, denn sie sind es – die Bauern und Häusler –, auf denen unsere Wirtschaft gebaut ist. Ohne sie geht gar nichts. Ein Wunder, dass sie immer wieder die Füße still gehalten haben!“
    In diesem Moment war Luisa stolz auf ihren Vater, weil er nach Hause zurückgekehrt war, während die Verleger die Schwänze eingezogen hatten.
    „Solche Angst hab ich um dich gehabt!“ Ihre Mutter konnte sich einfach nicht beruhigen. „Keine Nachricht von dir, alle Briefe zurückgekommen, keine Postkutschen!“ Schluchzend lief sie zur Großmutter in die Küche.
    Luisa, die in den vergangenen vier Wochen genug gehört oder gesehen hatte, um die Erzählungen ihrer Mutter mit kühler Gefasstheit aufzunehmen, konnte nicht glauben, dass in der Idylle ihres Heimatdorfes Menschen gewalttätig geworden waren.
    „Wir überlegen, zum Tagwächter nun auch einen Nachtwächter einzustellen.“ Ludwig Treuentzien rieb Daumen und Zeigefinger seiner Rechten aneinander. „Aber solche Sicherheitsvorkehrungen will wieder keiner bezahlen.“
    Überall gingen Mitglieder der Bürgergarde aus den umliegenden Dorfschaften Streife. Luisa hörte mit Bangen von den Verhaftungen, die vorgenommen worden waren.
    Es wurde hauptsächlich darüber diskutiert, wie sicher man im eigenen Dorf war und ob man überhaupt noch vor die Tür gehen konnte. Luisa dachte weniger darüber nach, wie sehr ihr Leben durch die Weber bedroht war, als vielmehr darüber, wie lange sie es noch aushalten würde, auf Neuigkeiten von dem einen warten zu müssen.
    Mutter verbrachte Stunden in Großvaters Kirche und versuchte

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