Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
sie sich in die Lehne des Sessels sinken.
Luisa war verlegen und schaute sich nach Bettine um, die mit verhaltenem Lächeln dem Gespräch lauschte. Frau Fernheim schaute noch immer das Tuch vor sich an. Sie schüttelte den Kopf, eine Geste, die Luisa nicht so recht deuten konnte.
„Und das haben Sie gezeichnet?“
Luisa nickte.
Wieder schüttelte die Dame ihren Kopf und Luisa bildete sich ein, die silbernen Ohrgehänge dabei klimpern zu hören, so still war es im Salon geworden, der Lärm der Fuhrwerke auf der Straße schien verstummt. Die Luft schien weniger nach Staub denn nach Blumen zu duften. „Ich könnte mir vorstellen, dass der Weber dieses Tuches eine Schwäche für Sie hat.“
Das nervöse Rauschen in ihren Ohren war das Einzige, was Luisa hörte, während sie rot wurde und sich verlegen räusperte.
„Nun ja“, erklärte die andere ihre Idee. „Denn wenn Sie es waren, die es gezeichnet hat, muss der Zauber Ihres Portraits vom Weber hineingebracht worden sein.“
Eine ganze Weile sagte niemand etwas, und jetzt war es Luisa, die betreten auf das Tuch schaute.
„Kennen Sie den Weber persönlich?“ Ein keckes Blinzeln auf Frau Fernheims Gesicht. „Oder die Weberin?“
Luisa nickte.
„Das ist gut, dann kann ich mich wohl darauf verlassen, dass sie – oder er“, wieder dieser hintergründige Augenaufschlag, „mit meinem Portraittuch ebenso gewissenhaft verfahren wird wie mit dem Ihren.“
Luisa rang die Hände. Mit ihrem, mit Frau Fernheims Tuch? Wo war ihre Stimme?
„Wann können wir beginnen? Ich weiß, die Messe ist zu Ende und Sie werden sicherlich so bald wie möglich nach Hause fahren. Auch könnte ich mir vorstellen, dass mein Auftrag in allerletzter Not kommt und von Ihnen gar nicht mehr akzeptiert wird, weil Sie schon genug haben ...“
„Oh nein, keineswegs, ich nehme jeden Auftrag an.“ Vergiss nicht zu atmen!
„Umso besser. Also, wann können Sie mich portraitieren?“
Hole Luft! Du machst noch eine Närrin aus dir! „Jetzt gleich?“
Frau Fernheim klatschte wie ein Kind begeistert in die Hände, sodass Luisa und Bettine zusammenzuckten.
„Ein Problem hätt ich da allerdings ...“
Frau Fernheims Klatschbewegung fror ein.
„Ich kann Sie im Vertrag nicht als Frau aufführen, Frau Fernheim.“
Die Dame nickte nachdenklich. Langsam zeichnete sich auf ihrem Gesicht Verständnis ab.
„Ich kann Sie auch nicht als Frau Fernheim führen.“
Gemeinsam dachten sie sich einen Streich aus, mit dem sie würden arbeiten und leben können. Eine weitere Lüge. Luisa hatte keine andere Wahl.
Caspar beobachtete Ludwig Treuentzien. Der trug einen gelben Rock und darunter eine grün-in-grün-karierte Weste. Matt in der Kette, glänzend im Schuss, vierbindig, spulte er in Gedanken ab. Caspar war kurz davor einzuschlafen.
Türpe beteuerte, für wie wichtig er es hielt, dass mit dem Expediteur Treuentzien ein Vertreter der bürgerlichen Gegenpartei der Versammlung beiwohnte.
Ludwig Treuentzien war vom Zittauer Rat als Kommissar im Dorf eingesetzt worden und war bemüht, die Weberwut im Keim zu ersticken. Er hörte schweigend zu, was die Weber in der Zunftstube schwadronierten. Die deutlichen Missverständnisse zwischen dem sächsischen Bürgertum und dem altmodischen König Anton dem Gütigen sorgten mit der französischen Julirevolution schließlich nicht nur in den zwei Hauptstädten Dresden und Leipzig für Unruhe. Und während in Paris, Brüssel und Warschau Blut in Strömen floss, trugen die Aufstände in Deutschland vergleichsweise gemütliche Züge. Aber schließlich erreichte die Empörung des Proletariats ihren Höhepunkt. Und jetzt bekam der Adel Muffensausen. Die Kasseler und Braunschweiger hatten es bereits geschafft, ihren Landesfürsten die Throne unter den Hintern wegzuziehen. Aber die Sachsen waren sich noch nicht im Klaren darüber, was sie eigentlich am Leben auszusetzen hatten.
Die Oberlausitzer dagegen wussten sehr wohl, was ihnen nicht passte – zumindest behauptete das Heinz Türpe. Und Caspar verabscheute das Mondgesicht: „Wieso haben die Reichen mehr Rechte und weniger Pflichten als wir? Wir wollen weniger Pflichten und mehr Rechte!“ Zustimmenden Jubel hatte der Obermeister auf seiner Seite. „Die Vorrechte der Reichen werden an deren Besitz am deutlichsten. Dann sollten wir deren Besitz einnehmen!“
Bevor wieder Gejohle ausbrechen konnte, sprach der Expediteur: „Es gefällt euch vielleicht nicht, aber es ist nun mal so: In einem Land
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