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Die Tuchhaendlerin von Koeln

Die Tuchhaendlerin von Koeln

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Kuhlbach-Fricke
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Mathilde erwartete mein Kommen mehr mit Sehnsucht. Auch sonst fuhr dieses Jahr niemand aus unserer Sippe dorthin. Wir hatten aber gehört, daß Heinrich der Löwe, nachdem er vom Tod seiner Gemahlin erfahren mußte, mit seinem ältesten
Sohn nach Sachsen zurückgekehrt war. Dies war ein klarer Bruch seines Eides; aber ich konnte ihn verstehen. Wer hätte den Rest seines Besitzes verteidigt, nachdem nun seine kluge Sachwalterin im Grab ruhte? Er wäre rasch zur Beute aller Nachbarn geworden, die nicht mit Barbarossa gezogen waren.
    Kaum war er im Land, strömten ihm seine ehemaligen Vasallen zu: Es kam der getreue Bernhard von der Lippe; Gunzelin von Schwerin war tot, aber sein Sohn Helmold eilte zu Heinrich; selbst Bernhard von Ratzeburg, den der Löwe doch so sehr gekränkt hatte, zögerte keine Sekunde, ihm seine Dienste wieder zur Verfügung zu stellen. Graf Adolf von Schauenburg war mit dem Kaiser im Heiligen Land. Er wäre ganz sicher nicht gekommen, aber die Holsteiner waren unzufrieden mit ihm und erschienen auf der Stelle bei dem Löwen. Vor allem aber kam Erzbischof Hartwig von Bremen. Ich war ihm früher am Hofe Heinrichs begegnet, denn er war dessen Hofnotar gewesen.
    Nach und nach sprach sich herum, was sich da oben im Norden abspielte, und rasch fielen Heinrich wichtige Festungen zu - Itzehoe, Plön, Hamburg.
    Dann erschien der Löwe als Rächer vor Bardowiek, dessen Bürger ihn bei seinem Ritt in die Verbannung so sehr beleidigt und verhöhnt hatten. Die Strafe war grausam. Heinrich nahm die Stadt blitzartig ein. Kein Galgen blieb unbenutzt, die Stadtbewohner in der Gefangenschaft, die Stadt niedergebrannt, nur den Dom hatte der Löwe geschont. Dafür trägt dieser nun die Inschrift: »Vestigio leonis«. Ich habe meine Lateinstunden bei Fordolf noch nicht vergessen: »Des Löwen Spur«. Die Vernichtung einer einstmals blühenden Stadt war endgültig.

    Kurz darauf stand der Löwe vor dem nun kaiserlichen Lübeck. Die Bürger hatten erfahren, was für ein schreckliches
Ende Bardowiek genommen hatte, und sie zitterten, weil sie ähnliches für ihre Stadt befürchteten. Aber die Bürger dort hatten noch immer die Haltung, den Anstand, den Mut, den sie einst vor Barbarossa zeigten. Sie kuschten nicht, sie forderten. In ihren Mauern regierte Graf Adolf von Dassel, Stellvertreter des auf Kreuzzug befindlichen Schauenburgers und ein Neffe unseres unvergessenen Erzbischofs Rainald, mit ihm die gräfliche Familie. Die Lübecker forderten, der Löwe möge diesen freien Abzug gewähren, dann wollten sie sich kampflos ergeben. Aber sie hätten nicht zu zittern brauchen. Vor ihren Toren stand nicht der brutale Rächer von Bardowiek, sondern der gute alte sächsische Herzog Heinrich, wie sie ihn von früher kannten. Er ließ die Schauenburger ehrenvoll abziehen und ritt dann in Lübeck ein. Und siehe da: Die Menschen jubelten ihm zu. Sie erwarteten die guten alten Zeiten zurück, die sie vor seinem Fall einst unter dem Löwen erlebt hatten.

    Wer hätte das gedacht? Nun, ich muß dir gestehen, ich schon. Ich kannte den Löwen seit vielen Jahren. Es wunderte mich nicht, daß er gerade jetzt, wo seine Mathilde nicht mehr bei ihm war, versuchte, das Erbe ihrer Kinder zurückzugewinnen. Ich hoffte von Herzen, daß er dabei Erfolg haben sollte - aber was er den Bardowiekern angetan hatte, verurteilte ich doch zutiefst.

1190
    D er restliche Sommer dieses Jahres war herrlich. Es war wunderbar warm, aber nicht zu heiß, und es drohten keine Gewitter. Die waren immer eine große Gefahr, denn wenn ein Blitz innerhalb der Stadt einschlug, konnte ein sehr gefährlicher Brand entstehen. Ich hatte eigentlich
einen Rundgang bei meinen Bortenstickerinnen geplant, aber statt dessen schickte ich meinen Gehilfen, ließ auch meine Bücher liegen und setzte mich mit meiner kleinen Sophia in den Garten. Blithildis kam mich besuchen und brachte ihr Töchterchen Sophia mit, und wir lachten über die beiden Kleinen, die noch nicht krabbeln konnten, es aber gerne üben wollten. Wir beiden Mütter unterhielten uns darüber, welche Nahrung die Kinder außer Muttermilch schon vertragen konnten, und aßen dabei aus einer Schüssel Spätkirschen.
    In diese Idylle platzte mein ältester Sohn Gunther, küßte zuerst mich, dann seine Schwester und herzte die beiden kleinen Mädchen. Dann nahm er uns die Schüssel weg und aß sie leer, bis Blithildis sie ihm mit einem entrüsteten Ausruf fortnahm, um sich die letzten beiden Kirschen zu

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