Die Tuchhaendlerin von Koeln
schnappen.
Wir Frauen hätten gern unser Kleinkindergespräch fortgesetzt, aber dies schien Gunther zu langweilen. Unruhig rutschte er auf seinem Sitz hin und her; schließlich sagte er:
»Mutter, ich bin eigentlich gekommen, weil ich etwas mit dir besprechen wollte.«
Er hielt inne und wußte offenbar nicht so recht, wie er fortfahren sollte.
»Mutter, erinnerst du dich an das Tanzfest im Bürgerhaus, auf dem die Kreuzfahrer vor ihrer Abfahrt gefeiert wurden? Dabei hat doch Vater mit dem Schöffen Cono von der Marspforte um die Wette getrunken. Und dabei haben sie darüber gesprochen, daß Richolf und ich zwei Töchter von Cono heiraten sollten. Erinnerst du dich?«
»Mein Sohn, ich bin noch nicht so vergeßlich, daß ich mich nicht an etwas erinnern würde, was gerade ein Jahr zurückliegt. Im übrigen haben Vater und der Schöffe Cono nicht um die Wette getrunken, sondern -«
»Ja, ja, Mutter«, unterbrach mich Gunther. »Darauf kommt es ja auch nicht an.«
»Sondern?«
»Es ist nur die Rede von einer Heirat gewesen, aber zur Verlobung ist es ja noch nicht gekommen. Und nun ist es so, daß ich diese Justine nicht nehmen möchte.«
Ich wunderte mich.
»Warum denn nicht? Justine ist doch ein sehr angenehmes Mädchen, hübsch, gut erzogen, freundlich, sie bekommt eine sehr gute Mitgift …«
»Ja, Mutter, das mag alles sein. Aber ich möchte sie doch lieber nicht heiraten.«
»Aber warum denn nicht?«
»Vielleicht gefällt ihm ein anderes Mädchen besser«, mischte sich Blithildis ein und lächelte maliziös. Sie fuhr fort:
»Kann es sein, daß ich dich neulich am Alter Markt gesehen habe, als du -«
»Blithildis, halt deinen Mund«, unterbrach Gunther sie aufgebracht. »Es ist immer noch meine Sache, Mutter das zu sagen.«
Blithildis schürzte schnippisch den Mund und wandte sich ihrer kleinen Sophia zu, die mit kläglichen Lauten bekanntgab, daß sie hungrig sei.
»Ganz ruhig, Gunther«, beschwichtigte ich. »Also: Du hast ein anderes Mädchen im Sinn?«
Mein Sohn nickte heftig.
»Und wer ist es?«
Leise sagte er: »Johanna Suevus. Mutter, sie ist wundervoll.«
»Oh. Eine Tochter des Schöffen Evergeld Suevus?«
Gunther schüttelte den Kopf. »Nein, ihr Vater ist Bruno Suevus.«
Jetzt machte ich ein langes Gesicht. Bruno Suevus war ein kleiner Händler, ein friedlicher, unbedeutender Bürger ohne irgendwelche nennenswerten Erfolge. Kein Mann, den wir
auch nur eine Sekunde als Schwiegervater eines unserer Kinder in Betracht gezogen hätten. Aber das mußte man einem über beide Ohren verliebten Jungen ja nicht gleich sagen.
Darum murmelte ich etwas Unverbindliches wie: mal sehen; abwarten, wie die Dinge sich entwickeln, es eilt ja nicht, und dergleichen.
So leicht ließ sich mein Gunther nun allerdings nicht abspeisen. Er drängte, er bohrte, er wollte eine klare Zusage von mir. Schließlich wurde es mir zuviel, und mir rutschte die Bemerkung heraus: »Ob dein Vater damit einverstanden sein wird …«
Gunther nickte. Diesen Gedanken hatte er offenbar auch schon gehabt. »Darum bin ich ja auch zu dir gekommen, Mutter. Ich dachte, wenn du uns hilfst …«
Oh, dieser vertrauensvolle Blick! Er brachte mich in eine gewaltige Zwickmühle. Einerseits ist es für eine Mutter ein wunderbares Erlebnis, wenn ihr Sohn sie als seine Zuflucht, die schon alles richten wird, ansieht. Andererseits war ich wirklich nicht von dieser Familie begeistert.
»Sieh mal, Gunther«, begann ich vorsichtig, »ihr seid acht Geschwister. Wir sind wohlhabende Leute, aber wenn unser Besitz durch acht geteilt wird, ist keiner von euch mehr gut gestellt. Also sollte jeder von euch Söhnen eine Frau nehmen, die eine ordentlich Mitgift mitbringt und gute Geschäftsverbindungen.«
Gunther rückte von mir ab. Enttäuscht, fast ein wenig feindselig, sah er mich an.
»Nach Geld soll ich heiraten? Und nach Johanna fragst du gar nicht, wie sie ist und wie sie denkt? So wenig bedeutet dir das Glück deines Sohnes?«
Das ärgerte mich nun gewaltig. Ich mußte mich sehr zusammennehmen, um nicht etwas zu sagen, was uns noch weiter entzweit hätte.
»Wir wollen heute nicht mehr weiter darüber sprechen«,
sagte ich kühl. »Warte, bis dein Vater wieder zu Hause ist.« Gottschalk war nach England gereist, er würde vielleicht noch Wochen ausbleiben. Vielleicht hatte sich die Angelegenheit bis dahin von allein erledigt.
Hatte sie sich jedoch nicht. Gottschalk war kaum eingetroffen, da stand Gunther schon vor ihm und eröffnete
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