Die Tuchhaendlerin von Koeln
Richard war, laut seiner Schwester, bei all seiner Tollkühnheit und Unvernunft eben auch ein unglaublich charmanter Mann und eine strahlende Persönlichkeit.
Wie dem auch sei, es steht jedenfalls fest, daß Richard nunmehr als Fußgänger in Italien stand und sich die Frage stellte, wie er denn nun möglichst rasch nach Hause käme, um dort für Ordnung zu sorgen, ehe sein Bruder Johann das angevinische Reich an sich reißen konnte. Zwei Möglichkeiten hatte er: Entweder zog er über die verschneiten Alpenpässe oder über den Semmering nach Wien. Richard entschloß sich für den zweiten Weg. Was er sich dabei gedacht hat, frech und frohgemut mitten durch das Fürstentum eines Mannes zu spazieren, den er gekränkt und beleidigt hatte und der ihn dafür erbittert haßte, wird mir immer ein Rätsel bleiben. Immerhin versuchte er, unerkannt zu bleiben, und gab sich für einen durchreisenden Kaufmann aus. Oh, welche Einfalt! Einen Plantagenet kannst du in einen Bettlerkittel stecken, die Arroganz wird durch jedes Loch schimmern. Natürlich wurde er erkannt und festgenommen, und Herzog Leopold
rieb sich die Hände und versteckte seinen hochgeborenen Gefangenen auf einer Burg. Da ihm schon klar war, daß er diesen Menschenraub nicht ohne sehr mächtigen Beistand durchführen konnte, verhandelte er mit Kaiser Heinrich, in dessen Hände er Richard übergeben wollte. Leopold stellte eine Reihe von Bedingungen, von denen mir nur zwei im Gedächtnis geblieben sind: Zum einen eine ungeheure Lösegeldforderung, nämlich sage und schreibe dreiundzwanzig Tonnen Silber; die andere Forderung war derart unverschämt, daß man es kaum glauben mag: Richard selbst sollte sich beim Papst dafür einsetzen, daß Leopold nicht für die Gefangennahme eines heldenhaften Kreuzfahrers exkommuniziert werden sollte!
Dies alles wurde natürlich erst sehr viel später bekannt. Monatelang galt der englische König als verschollen, vermutlich tot. Auch wir in Köln glaubten daran, und ich dachte traurig, daß mit dem Verlust dieses mächtigen Verbündeten die Hoffnungen des Löwen auf Wiedereinsetzung wohl völlig geschwunden waren. Daß König Richard noch lebte, erfuhr man erst, als der Kaiser plötzlich einen Schauprozeß gegen ihn ankündigte. Ich will dich jetzt nicht mit allen Einzelheiten langweilen. Es wurden dem Engländer allerlei Verfehlungen angelastet, gegen die er rhetorisch geschickt argumentierte. Richard rechnete schon mit seiner baldigen bedingungslosen Freilassung - da teilte der Kaiser ihm mit sanftem Lächeln mit, er könne ihn auch an König Philipp August von Frankreich übergeben. Dieser würde mit Wonne an Richards Stelle alle Forderungen erfüllen, wenn der Kaiser ihm den Gefangenen nur auslieferte.
Diese Drohung genügte. Richard war es durchaus klar, daß der Franzose ihn bis an sein Lebensende gefangenhalten würde, hätte er ihn erst einmal in seinen Händen. Also willigte er in sämtliche Vertragspunkte ein, nur einen lehnte er
ab, nämlich dem Kaiser bei einem Kriegszug gegen Sizilien Hilfestellung zu leisten. Statt dieses Punktes wurde ein anderer aufgenommen. Er hing mit den Welfen zusammen, aber niemand hat erfahren, um was es dabei eigentlich ging. Sollte allerdings Richard diese Verpflichtung nicht einlösen können, so würde sich das Lösegeld noch einmal um weitere zwölf Tonnen Silber erhöhen.
Dieser Fall trat ein: Richard war nicht imstande, diese Bedingung, was immer sie beinhalten mochte, zu erfüllen. Ich habe mir oft und oft den Kopf darüber zerbrochen, was der Kaiser sich da ausgedacht hatte. Ob er verlangt hatte, sämtliche Welfen sollten auf alle Besitzungen im Reich verzichten und auf Nimmerwiedersehen in England verschwinden, damit die Hohenstaufen sich nicht mehr mit ihnen herumärgern mußten? Ich werde es wohl nie erfahren, obwohl ich schon sehr neugierig wäre. Es kann keine Kleinigkeit gewesen sein, sonst wäre die Nichterfüllung nicht so teuer gewesen. Jedenfalls kostete es König Richard weitere zwölf Tonnen Silber, also nun schon insgesamt fünfunddreißig.
Nach Unterzeichnung dieses unglaublichen Vertrags sollte Richard freigelassen werden. An seiner Stelle waren zweihundert namentlich bezeichnete englische Adlige als Geiseln an den Kaiser zu senden, darunter Richards Neffen Otto und Wilhelm, die Söhne Heinrichs des Löwen. Sie sollten erst nach der endgültigen Bezahlung des Lösegelds zurückkehren dürfen.
In Köln, vermutlich in ganz Europa, redete man über nichts anderes
Weitere Kostenlose Bücher