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Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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da hat mir einen Zahn ausgeschlagen.«
    »Halb so schlimm.« Meine Kappe wurde mir zugeworfen. »Steht auf. Langsam.«
    Er trat in mein Gesichtsfeld. Von dürren Schultern fiel ein viel zu weiter Umhang herab: Walsingham, der im Morgengrauen noch strenger wirkte als im Mondlicht. Dem Klang seiner Stimme und der Glätte seiner fahlen Haut nach konnte er nicht viel älter sein als ich, und doch wirkte er uralt – wie jemand, der in seinem Leben noch nie eine Sekunde spontane Freude gekannt hatte. Jetzt wusste ich wenigstens, was er von Beruf war: ein Haudegen.
    »Ihr hättet mich auch rufen lassen können.«
    Er ignorierte mich. »Ich rate Euch, nicht zu fliehen oder Widerstand zu leisten. Meine Männer können nicht nur Zähne einschlagen, sondern auch noch ganz andere Dinge.« Er winkte, woraufhin die Kerle mich flankierten. Ich hatte keine Chance, an meinen Dolch im Stiefel zu kommen.
    Einer der beiden packte mich unsanft am Arm. Als ich herumfuhr, um ihn abzuwehren, stülpte mir der andere einen Sack über den Kopf und fesselte mir die Hände mit einer Kordel. Blind und hilflos wurde ich vorwärtsgeschubst, in eine Richtung, die vom Palast wegzuführen schien.
    Die Kerle stießen mich durch den Wildpark und über gewundene Straßen, wo sich das Rasseln von Wagenrädern und das Klappern von Hufen auf Steinpflaster, die Rufe von Verkäufern und das raue Grölen von Bettlern gegenseitig überboten. Ich roch das faulige Wasser der mit Abfällen angefüllten Themse, und dann wurde ich durch eine Tür geschoben. Als ich Protest erhob, kassierte ich eine schallende Backpfeife.
    Durch einen Gang und eine zweite Tür gestoßen, taumelte ich in plötzliche Stille, die mit Orangenduft gefüllt war. Ich hatte vor Jahren einmal eine Orange gegessen. Das hatte ich nie vergessen. Orangen wurden aus Spanien eingeführt. Wer sie sich leisten konnte, verfügte über einen luxuriösen Geschmack und den entsprechenden Wohlstand.
    Die Kordel um meine Handgelenke wurde gelöst. Hinter mir fiel die Tür ins Schloss. Ich riss mir den Sack vom Kopf. Eine wohlbekannte Gestalt erhob sich von einem Pult vor einem Flügelfenster. Dahinter bot sich mir ein weiter Blick auf einen bis zum Flussufer reichenden Garten mit Trauerweiden, die sich über schmiedeeiserne Bänke und Buchsbaumhecken neigten.
    Ich erstarrte. »Ihr!«, keuchte ich.

10
    »So leid es mir tut«, sagte Master Secretary Cecil. »Falls Ihr misshandelt worden seid, bitte ich um Entschuldigung. Walsingham hielt es für das Beste, Euch keine andere Wahl zu lassen, als meiner Einladung zu folgen.«
    Ich wusste selbstverständlich, dass Walsingham draußen vor der Tür stand, um jeglichen Fluchtversuch meinerseits zu verhindern. Ich verkniff mir eine Entgegnung und sah zu, wie Cecil an eine Anrichte trat, auf der eine Platte mit verschiedenen Speisen, ein Korb Orangen und ein Weinkrug standen. Ich war mir fast sicher, dass seine sogenannte Einladung etwas mit dem vorigen Abend zu tun hatte, weshalb meine Neugier meine Befürchtungen überwog – wenn auch nur knapp.
    »Habt Ihr schon gefrühstückt?«, fragte Cecil.
    Ich wischte mir das Blut aus dem Mundwinkel. »Mir ist der Appetit vergangen.«
    Cecil lächelte. »Ihr werdet Euch schon erholen – ein junger Mann wie Ihr, ohne Fleisch auf den Rippen. Als ich in Eurem Alter war, konnte ich ständig essen. Doch Euer Tonfall lässt vermuten, dass Ihr mir böse seid. Aber ich habe mich doch schon entschuldigt.«
    »Wofür? Mich mit Gewalt hierhergezerrt zu haben?« Ich hörte selbst, wie aufgebracht ich klang, und nahm mich zusammen. Dies war kein Mann, dem man sich offenbaren konnte. Gewiss wollte er etwas von mir, wenn er sich schon die Mühe machte, mich in den Stallungen aufzuspüren und entführen zu lassen. Offenbar besaß er ja das Vertrauen der Prinzessin. Dass er auch ein Angestellter des Herzogs war, machte die Situation natürlich etwas komplizierter.
    Letztlich konnte ein Mann doch nur einen Herrn haben. Welchem mochte Cecil dienen?
    Er machte sich an der Anrichte zu schaffen. »Ich bin nicht der Feind Ihrer Hoheit, falls es das ist, was Ihr denkt. Bedauerlicherweise sieht es fast so aus, als wäre ich ihr einziger Freund, zumindest der einzige einflussreiche. Bitte nehmt doch Platz.« Er wies zu einem gepolsterten Stuhl am Pult, als empfinge er in aller Gemütlichkeit einen Gast. Ich setzte mich. Er reichte mir Teller und Kelch, die ich absichtlich unberührt ließ, und kehrte dann ans Pult zurück, eine sehr selbstsichere

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