Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Vielleicht bleiben uns nur noch wenige Tage, um Ihre Hoheit zu retten.«
Ich warf einen Blick zum Fenster hinaus. Eine Frau kam gerade mit einem hinkenden Kind an der Hand in den Garten. Sie lächelte, als der Junge auf irgendetwas am Fluss deutete, das ich nicht sehen konnte, ein Boot vielleicht, oder ein Schwarm Schwäne. Sie bückte sich, um ihn auf die Wange zu küssen, und schob ihm eine widerspenstige Locke unter die Mütze.
Trostlosigkeit öffnete sich in mir wie ein Abgrund. Der Anblick weckte Erinnerungen an Mistress Alice und – weniger anrührend – an Master Shelton. Der Haushofmeister würde mir das nie verzeihen, was er nur als Verrat an der Familie begreifen konnte, die mich am Leben erhalten hatte. Aber Alice hätte es verstanden. Von allem, was sie mich gelehrt hatte, hatte ich den Grundsatz, sich selbst treu zu bleiben, stets in meinem Herzen getragen.
Doch ich hatte nie die Gelegenheit gehabt, mich nach dieser Wahrheit zu richten. Als Waisenkind und rechtloser Knecht hatte ich immer ums Überleben kämpfen müssen. Nie hatte ich weiter nach vorn blicken können, als die Erfordernisse des Tages es verlangten. Die einzige Ausnahme stellte mein heimliches Lernen dar, doch das hatte nur dazu gedient, meine Überlebensfähigkeit zu verbessern. Gleichwohl konnte ich nicht leugnen, dass ich mich mit jeder Faser nach der Freiheit sehnte, mein Schicksal selbst zu gestalten und der Mann zu werden, der ich sein wollte, nicht der, zu dem meine Herkunft mich verurteilt hatte.
Ich wandte mich wieder Cecil zu. »Was genau wollt Ihr von mir?«
Er lächelte. »Vielleicht sollte die Frage eher lauten: Was wollt Ihr ? Ich nehme an, Ihr wollt doch zumindest bezahlt werden.«
Ich wusste durchaus, was ich wollte. Was ich nicht wusste, war, ob ich es ihm anvertrauen sollte, auch wenn ich in meiner Situation niemanden sonst sah, dem ich vertrauen konnte. Wie lauteten seine Worte?
Die Wahrheit ist selten das, was wir uns erhoffen …
Ich fragte mich, ob er recht hatte.
»Ihr müsst Euch nicht gleich entscheiden«, sagte Cecil. »Vorerst kann ich Euch nur Freiheit von der Fronarbeit für den Rest Eures Lebens versprechen, und dazu natürlich eine Stelle auf Dauer in meinen Diensten.« Er griff nach einem Rechnungsbuch. Ein kurzes Schweigen trat ein. Dann sagte er mit erstaunlichem Einfühlungsvermögen: »Meiner Meinung nach hungern Menschen nach mehr als materieller Befriedigung. Tut Ihr das auch? Hungern, meine ich?«
Er blickte auf. Ob er mein Zögern sah? Wieder musste ich an die Worte denken, die zwischen Lady Dudley und der Herzogin von Suffolk gefallen waren. Eine Wahrheit verbarg sich darin, wenn auch verworren und verzerrt. Doch darüber konnte ich nicht sprechen. Und ich konnte diesem Mann nicht alles anvertrauen. Letztlich war er immer noch ein Fremder.
Schweigen trat ein. Als er weitersprach, war seine Stimme leise. »Ich mache es mir zur Aufgabe, diejenigen, die meinen Weg kreuzen, genau zu beobachten; und Ihr seid jemand, der ein Geheimnis mit sich herumträgt. Ihr verbergt es gut, aber ich kann es Euch ansehen. Und wenn ich das kann, können es auch andere. Nehmt Euch in Acht, damit es nicht eines Tages gegen Euch verwendet wird, wenn Ihr es am wenigsten erwartet.«
Er hielt inne. »Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass meine Rolle in dieser Angelegenheit natürlich anonym bleiben muss«, fügte er hinzu. »Die Sicherheit der Prinzessin hat natürlich jederzeit absoluten Vorrang. Und es sollte klar sein, dass Ihr meine Befehle ohne Umschweife befolgen müsst. Versteht Ihr? Jede Eigenmächtigkeit Eurerseits könnte unseren ganzen Plan vereiteln. Ihr seid nicht der Einzige, der sich bemüht, sie zu retten. Ihr müsst lernen, sogar denen zu vertrauen, die Ihr nicht kennt oder nicht leiden könnt.«
Ich holte tief Luft. »Ich habe verstanden.«
»Gut. Einstweilen werdet Ihr weiter Lord Robert zur Seite stehen. Beobachtet alles, was er sagt und tut. Ihr werdet noch Weisung erhalten, wie Ihr Eure Informationen weiterzugeben habt, wenn es so weit ist. Und falls sich unsere Pläne ändern, werdet Ihr ebenfalls rechtzeitig in Kenntnis gesetzt werden.« Von dem Aktenstapel neben sich nahm er eine Mappe und schlug sie auf. »Hier seht Ihr eine maßstabgetreue Karte von Greenwich. Prägt sie Euch gut ein. Ich weiß nicht genau, wann, aber ich glaube, während der Hochzeitsfeierlichkeiten von Guilford und Lady Jane wird der Herzog zur Tat schreiten. Ehe es so weit kommt, müssen wir die Prinzessin an
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