Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
Vom Netzwerk:
getötet?«
    Er ging ans Fenster und blickte nach draußen auf den nur im Ansatz erkennbaren Hügel in seinem eigenen Garten.
    »Tja, das war ein wenig improvisiert. Aber es hat auch Spaß gemacht. Ihr ebenso! Sie hatte von diesem Lügner und Ausbeuter die Nase bereits ziemlich voll. Nach ein paar höchst amüsanten Vorschlägen kamen wir schließlich auf die Reinigungsmittel in der Besenkammer. Bereits fünf Minuten später riß ich den Mund meines schlafenden Doppelgängers auf und rammte ihm den großen Öltrichter aus der Garage in die Gurgel. Die tapfere Lore schüttete eine ganze Flasche Natriumhydroxid hinein, auch Rohrfrei genannt. Eine Lauge, die im Magen eines Menschen etwa denselben Schaden anrichtet wie ein eingeklemmter Torpedo, der detoniert, bevor er das U-Boot verläßt. Sie hätten mal sein Gesicht sehen sollen, als er notgedrungen schluckend die Augen öffnete. Der ganze Kopf wirkte, als würde er mit roter Farbe aufgepumpt, er verdoppelte förmlich sein Volumen, die geweiteten Augen, die Nase, die Wangen, alles blähte sich auf. Er wollte aus dem Bett hochfahren, doch der alte Haschim hatte sich in weiser Voraussicht auf seinen Brustkorb gesetzt, so daß er um den edlen Tropfen nicht herumkam. Am Ende entwischte er uns doch, allerdings mit gutgefülltem Magen. Wir folgten ihm Scherze machend in den Garten, um eventuellen Zeugen aus der Nachbarschaft keinen Anlaß zum Eingreifen zu geben Als wir ihn fanden, lag er zusammengekrümmt unter einem Baum und massierte seinen Bauch. Aus seinem Mund sickerte blutiger Schaum, versetzt mit glibberigem Zeug. Er wollte noch etwas sagen, aber dann hielt er diese Welt wohl doch nicht berühmter letzter Worte für würdig. Er ruht jetzt in einem wunderschönen Tannenwald. Wenn man ihn findet, wird er längst verwest sein.«
    »Wie viele Leute in der Straße sind von der Sache betroffen?«
    Ali wandte sich zu Wachs, der sich während Haschims Erzählung im Labyrinth der Palmen verborgen hatte und nun plötzlich wieder zu ihm trat. Der Greis blieb stumm und starrte ihn nur an. Ali brauchte nicht lange zu rätseln, weshalb er die Antwort schuldig blieb, denn er konnte sich die Frage selbst beantworten. Ein neuerlicher Schauder durchströmte sein Bewußtsein, und er wußte, daß sämtliche Bewohner der Straße vom fragwürdigen Segen der Damalstür profitiert hatten! Sie alle waren Zombies ihrer Vergangenheit, Gescheiterte, die sich mit ihrem Schicksal einfach nicht abgefunden hatten. Ein Pech aber auch, daß man nur ein popeliger Millionär war, den schon so etwas Dämliches wie eine Scheidung an den Rand des Ruins bringen konnte, und kein Milliardär, wo es doch heutzutage vor Milliardären nur so wimmelte. Die Gier, die verdammte Gier, sie hatte auch ihn in die Mördergrube getrieben. Dabei war er doch Künstler, zuständig für - das Trallala. Es war ein Grund zum Weinen, aber ein Entrinnen aus dem Tal der Tränen gab es nicht.
    »Manche von uns sind schon vor vielen Jahren durch die Tür gekommen, sie sind quasi Pioniere«, sagte Anton Wachs. »Ob sie ihre zweite Chance genutzt und diesmal alles anders gemacht haben, ist natürlich eine andere Geschichte. Dieser Ort der Vergangenheit ist ein anderer als der in der Erinnerung, weil man selbst ein anderer ist. Er wird beherrscht von einer unergründlichen Gefühlsleere. Wir sind zwar von dem Risiko namens Leben und dem damit verbundenen Schmerz ausgeschlossen, aber, wer weiß, vielleicht ist der Schmerz das wahre Leben. Es ist jedenfalls schwer zu beantworten, ob es sich hier tatsächlich angenehmer leben läßt als in dem Alptraum , dem wir entflohen sind. Doch keiner von uns möchte durch die Tür wieder zurück. Du auch nicht, schätze ich. Wir fürchten uns davor, sogar die hartgesottensten unter uns geraten in Panik bei dem Gedanken. Der Weg zurück ist ein Tabu, merk dir das, Ali.
    Und es gibt noch seltsamere Dinge zu berichten. Einige haben sich mit ihren zweiten Ichs arrangiert. Ja, du hast richtig gehört. Sie brachten es nicht übers Herz, sie zu töten. Und umgekehrt vermochten die jungen Doppelgänger nicht, die Alten wieder in ihr Verderben zurückzuschicken. Sie existieren irgendwie nebeneinander, kooperieren, inszenieren für die Außenwelt eine grausame Verwechslungskomödie. Frag mich bloß nicht, wie sie das anstellen. Du siehst, nicht alle hier sind Mörder. Obwohl es in diesem Viertel fast keinen einzigen Garten geben dürfte, in dem nicht mindestens eine Leiche begraben liegt. Eine weitere

Weitere Kostenlose Bücher