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Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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aus?«
    »Nun ja, um die Wahrheit zu sagen, du siehst ziemlich alt aus.«
    Wachs grinste böse.
    »Bravo! Aber ich sehe nicht bloß alt aus, lieber Nachbar, ich bin auch alt. So wie du auch einige Jährchen mehr auf dem Buckel hast, als es eigentlich sein dürften, nicht wahr?«
    »Was, was willst du damit sagen?«
    »Menschenskind, glaubst du, du bist der einzige, der durch diese Tür gekommen ist?«
    Er verschwand wieder in den Schattenwald, und als Ali der von Rauchkringeln eingehüllten Gestalt nachschaute, da gesellte sich zu seinem gerade eben erst erlebten Schrecken ein zusätzlicher. Er entdeckte durch eine kleine Lücke im Dickicht einen weiteren Bambusstuhl. Er war zwar nur wenige Meter weit entfernt, doch die Lücke erlaubte lediglich einen winzigen Ausschnitt auf den oberen Teil der Rückenlehne. Darüber war ein Stück eines Hinterkopfes zu sehen, ebenfalls vom Tabakrauch verschleiert. Jemand hörte ihnen also zu, jemand, der Bescheid wußte, der auf sie gewartet hatte und der sich vielleicht noch zu Wort melden würde.
    »Diese Tür, Ali, vollbringt nicht nur Gutes, man muß sie im Auge behalten«, hörte er wieder Wachs Stimme. Durch die feuchte Luft war Ali inzwischen schweißgebadet. »Aber dazu später. Willst du meine Geschichte hören? Von mir aus höre ich mir auch gerne deine an, wenn du anfangen möchtest. Ich habe allerdings den Verdacht, daß beide Geschichten sich stark ähneln.«
    »Erzähl ruhig erst einmal deine Geschichte, Anton, auch wenn mir momentan wenig nach Geschichtenhören ist.«
    »Ruhig, keine Angst, man kann sie unter Kontrolle kriegen, die Tür, man muß nur auf der Hut sein. Wir haben Erfahrungen gesammelt hier in der Straße. Ich wünschte, wir müßten unser bißchen Leben nicht damit vergeuden, Erfahrungen zu sammeln. Später ist man immer klüger, sagt man. Aber irgendwie ist man später auch immer dümmer, weil die erlittenen Schmerzen das Beste in einem zerstört haben: die Hoffnung auf Glück! Ich scheiß auf die Lebenserfahrung des Alters! Ich bin Anton Wachs, ein erfolgreicher Architekt im Jahre 1991. Meine Zukunft sieht glänzend aus, weil meine Vergangenheit glänzend war. Und doch weiß ich, daß die folgenden zehn Jahre mich ruinieren, mir meine Selbstachtung stehlen und mich in einen Halbirren verwandeln werden.«
    »Unsere Geschichten ähneln sich in der Tat, Anton. Eigentlich brauchst du gar nicht weiterzuerzählen.«
    In Ali keimte allmählich der Drang auf, aus dieser stickigen Hölle auszubrechen und dann so weit wegzulaufen, bis er den ganzen Stadtteil hinter sich gelassen hätte.
    »Wieso? Erträgst du den Gedanken nicht, daß dein Martyrium gar nicht so einzigartig war? Wir leben im Zeitalter des Geldes, Ali. Deine Kunst und meine Architektur, dein Idyll mit Ida und mein Urgemüse, sie sind nur die Oberfläche unseres Wesens, bloße Reklame für die Außenstehenden. Aber das ist alles nur Fassade. Was uns im tiefsten Kern wirklich ausmacht, ist das Geld. Es zählen weder Klassenzugehörigkeit noch Charakter, Menschen unterscheiden sich heutzutage nur noch durch die Höhe der Summe auf ihrem Konto voneinander. Alles andere ist Dreck, feinsinniges Getue fürs Publikum, wobei wir uns als Publikum völlig selber genügen. Wenn jemand Götterstatuen aus Bali sammelt oder sich als glühender Opernliebhaber ausgibt, so bedeutet das nichts anderes, als daß er genügend Kohle angehäuft hat, um sich solchem Trallala zu widmen. Ich dachte, ich wäre anders, bis mir die Katastrophe die Augen für meine Lebenslüge geöffnet hat. Schlimmer als die schlimmste Sünde ist in unseren Tagen, ein finanzieller Verlierer zu sein.«
    Ali bemerkte, daß der schemenhaft sichtbare Hinterkopf nickte.
    »Ich habe mich mit Russen eingelassen, mit zwielichtigen Geldgebern, die auf schnelle und bombige Rendite aus waren«, fuhr Wachs fort. Wie sein Äußeres schien jetzt auch seine Stimme von Schatten verdüstert. »Wir wollten in Marbella eine komplette Kleinstadt für reiche Urlauber aus dem Boden stampfen. Noch während der Rohbau entstand, nahmen mich die dortigen Gewerkschaften und die Baustoff-Mafia in den Schwitzkasten. Ich mußte ohnmächtig zusehen, wie der ganze Spaß das Dreifache der anfänglich kalkulierten Summe überstieg. Meine russischen Freunde brachten mich nicht um, in dieser Beziehung waren sie wirklich human. Sie wollten nur ihr verlorenes Geld zurück. Sonst würden sie mit mir Dinge anstellen, die ich nicht einmal in einem Horrorfilm gesehen hätte, sagten

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