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Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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gab nicht den geringsten Zweifel, daß diese zu einem tollwütigen Tier verrohte Gestalt den alten Haschim trotz der Sicherheitsvorkehrungen in der Nacht überrascht und dann bestialisch abgeschlachtet hatte. Vielleicht sogar auch Lore von Mahlen.
    Haschim nahm die Zigarettenspitze aus dem Mund und präsentierte ein grausames Lächeln, wobei seine wie Kohlestücke wirkenden Augen gänzlich verschwanden.
    »Hallo, Ali!« sagte er, und es hörte sich an, als würde ein Vogel aus einem Horrorfilm krächzen. »Gut geschlafen?«
    Zeit zu gehen, dachte Ali und wußte, daß er keine Minute mehr zu verlieren hatte.

24
     
    S ie vertrieben sich die letzten Stunden vor Gastons Ankunft im ersten Stockwerk, in dem großen Raum neben dem Büro, wo Ali den jungen Ali zum ersten Mal mit dem Messer attackiert hatte. Sie hatten sich diese vor den neugierigen Augen der Nachbarschaft gut geschützte Stelle als Wartezimmer ausgesucht, weil alle ihre Gepäckstücke auch hier lagerten und Ida die Vollständigkeit der Sachen noch einmal überprüfen wollte. In diesem Teil des Hauses gingen die immer noch weitgehend leeren Räume übergangslos ineinander über. Lediglich wandhohe Zargen an den Seiten markierten Trennungslinien von einem Zimmer zum anderen. Hinten befand sich der Wintergarten, von dem aus der L-förmige Flur zur Wendeltreppe führte.
    Es war nun kurz vor Mitternacht, und sie hatten bis auf diesen Schlupfwinkel alle Lichter im Haus gelöscht und auch die Alarmanlage abgeschaltet. Sie wollten dadurch vermeiden, daß im letzten Moment vor ihrer Flucht durch irgendein Mißgeschick die Sirenen losheulten und ihre fürsorglichen Nachbarn dann an den Fenstern standen. Ein Deckenfluter tauchte die weißen Wände in kupfernes Licht und belegte die Holzdielen mit einem dämmrigen Schein, auf denen die Koffer, Rucksäcke und Taschen wie große Dominosteine aufgereiht standen. Der Rest des Stockwerks lag in tiefster Finsternis. Durch die Fenster sah man auf das schlechteste Wetter seit Monaten hinaus, sogar Nebel war aufgezogen. Man hätte meinen können, die deprimierende Übergangsphase zwischen Winter und Frühling wäre wieder zurückgekehrt.
    Ali saß auf einem der Koffer, trank direkt aus einer Rotweinflasche und rauchte Kette. Er steckte in demselben Aufzug, mit dem er damals zum ersten Mal die Gasse betreten hatte. Er konnte sich die Kleiderwahl nicht erklären. Als er sich gegen Mittag anziehen wollte, gerieten ihm zufällig das besagte Hemd, die besagte Hose und der besagte schäbige Mantel zwischen die Finger. Natürlich war der alte Plunder inzwischen von Ida gewaschen und in der Reinigung behandelt worden, was aber nicht bedeutete, daß man es ihm auch ansah. Er machte sich darüber keine Gedanken, zumal er in seinem unrasierten und ungewaschenen Zustand selber wie an jenem schlimmen Morgen wirkte. Vielmehr grübelte er darüber nach, wie Gaston wohl diese merkwürdige Szenerie aufnehmen würde. Er würde sofort sehen, daß hier Vorbereitungen zu einer übereilten Abreise getroffen worden waren, und die Sache mit der Geldübergabe wie in einem schlechten Krimi würde ihn auch nicht gerade in dem Glauben bestärken, daß sein »bestes Pferd im Stall« sich in dieser Gegend so schnell wieder blicken lassen würde. Vielleicht war es klüger, ihn im Erdgeschoß zu empfangen. Er glaubte zwar nicht, daß der alte Fuchs sich dort weniger täuschen lassen würde, aber zumindest konnten beide so den Schein wahren.
    Ida benahm sich übernervös. Es sah zwar so aus, als würde sie die Gepäckstücke durchstöbern, um festzustellen, ob auch alles Notwendige eingepackt sei. Doch irgendwie erinnerten ihre hastigen Bewegungen an Ersatzhandlungen , wie Verhaltensforscher diese durch Streß ausgelösten, völlig sinnleeren Aktionen nannten. Dabei beobachtete sie ihn heimlich und abwägend aus den Augenwinkeln, obwohl es gar nichts zu beobachten gab. Er war wie gewöhnlich um diese Zeit fast völlig betrunken, und sein Leben kam ihm inzwischen vor wie eine exquisite Speise, die ein ebenfalls völlig betrunkener Koch angerichtet hatte. Irgendwie schmeckte sie nach gar nichts mehr. Er selbst war kein bißchen nervös. Bis zum Abflug hatten sie immerhin noch über dreieinhalb Stunden Zeit. Endlich klingelte es. Sie warfen einander vielsagende Blicke zu.
    »Ich mach' schon auf«, sagte Ida und entschwand in Richtung Wintergarten.
    Ali hörte sie die Wendeltreppe hinunter steigen, unten das Berliner Zimmer durchschreiten, auf den Summer drücken

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