Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)
dieser blutigen Hölle nicht mehr aus!«
Wenn er nicht bereits unten gewesen wäre, wäre er nach dieser Bemerkung jetzt noch einmal gestürzt. Das Zimmer um ihn herum begann sich zu drehen, als befinde er sich im Zentrum einer Drehscheibe.
»Ida, was redest du da … «
»Ja, hören Sie auf, es zu leugnen«, unterbrach ihn Junior. »Sie hat uns alles erzählt. Sie waren in jener Nacht betrunken und sind mit Bibo wegen der Umzugsrechnung in Streit geraten. Sie haben ihn mit einer Hacke erschlagen und dann im Garten begraben. Und als Hardy Link auf der Feier dort etwas Verdächtiges ausbuddelte und Sie damit erpreßte, da haben Sie auch ihn getötet. Ricardo hat Sie dabei überrascht, worauf es zu dem dritten Mord kam. Unsere Leute werden den Hügel noch in dieser Nacht ausheben. Wetten, daß wir Bibos Leiche finden?«
Sie hatte ihm tatsächlich alles erzählt! Mit kleinen Abweichungen. Und bis auf die Hauptsache natürlich. Aber wenn sie das Grab im Garten öffnen würden, würden sie dann nicht außer dem halbverwesten Bibo auch noch die anderen Leichen finden? Mit einem Mal explodierte ein heller Blitz vor seinem inneren Auge, und Idas raffinierter Plan ging ihm in seiner ganzen Tragweite und Niedertracht auf. Die Schattenmänner! Die Schattenmänner, die er in seinem alkoholisierten Zustand nachts am Hügel gesehen hatte.
Ida hatte sich schon vor langer Zeit entschlossen, nicht mehr umzuziehen. Und das war der springende Punkt! Sie hing mit pathologischer Gier an ihrem alten Leben, an dem Haus, an dem Wohlstand, an dem Milieu, an den Menschen von damals. Bis vor kurzem hatte auch er selbst zu diesem imitierten Leben gehört, aber eigentlich war er entbehrlich, und wenn er sich gar bockig anstellte, schnell zum Abschuß freigegeben. Keine blutdürstigen Doppelgänger, keine Morde und kein namenloses Grauen würden sie je dazu bewegen können, ihr versunkenes und wundersam wiederauferstandenes Reich aufzugeben.
Als ihr klargeworden war, daß es ihm mit der Flucht ernst war, wohl auch gespürt hatte, daß das zerrissene Band zwischen ihnen sich wahrscheinlich nicht mehr flicken ließ, da hatte sie sich hinter seinem Rücken an die Gemeinschaft , höchstwahrscheinlich direkt an den Häuptling, an Anton Wachs gewandt. Ihr Verrat kam äußerst gelegen, denn Kreuzers Ermittlungen betrafen ja nicht nur ihr totes Reich, sondern alle toten Reiche in der Straße. Man schmiedete einen Plan und trat in Aktion. Sie verführte ihn zum Alkohol, damit er nachts gut schlief und nicht mitbekam, was draußen in den Gärten vor sich ging. Sie holten die Leiche des jungen Ali und der jungen Ida wieder aus dem Hügel heraus und ließen sie verschwinden. Aber dabei blieb es nicht. Es war ein großes Reinemachen angesagt. Sämtliche Skelette in den Gärten ringsherum, sämtliche einbetonierte Tote in den Kellern und sämtliche Leichname in den Kühltruhen wurden entsorgt, so daß die Polizei bei Hausdurchsuchungen nichts in der Hand haben würde.
Ida wußte, daß Gaston mit dem großen Geld im Hintergrund lauerte. Mit diesem Geld konnte sie sich auch ohne Ali ein hübsches Leben machen. Das Haus war ja schuldenfrei. Außerdem würde er im Gefängnis von ihr abhängig sein, von ihrer Zuwendung, ihren Gefälligkeiten, ihrem Geschick mit den Anwälten. Vielleicht würde er dort wieder zu malen beginnen, und als der berühmte Totenmaler, der selber getötet hatte, könnte er womöglich sogar Kultstatus erlangen, so daß das Geschäft für ihn und für sie weiterhin bestens laufen würde. Sie hatte deshalb Kreuzer jr. erst informiert, als feststand, daß alle Spuren beseitigt worden waren und Gaston das Geschäft gemacht hatte. Alkoholsucht und Wahnsinn, ausgelöst durch die künstlerische Beschäftigung mit Toten, so dürfte ihre Erklärung, weshalb der arme Ali die Morde begangen hatte, vor Gericht lauten. Liebe und Loyalität zum geliebten Ehemann, die Gründe, weshalb sie solange dazu geschwiegen hatte.
In Alis Kopf spulte sich dieser Aufklärungsfilm der kriminalistischen Art im Bruchteil einer Sekunde ab. Und doch war er felsenfest davon überzeugt, daß jedes Detail darin stimmte. Seine Frau hatte ihn aufs Kreuz gelegt, kein singuläres Schicksal, wie er sich eingestehen mußte. Aber wie er so neben den vielen Koffern und Taschen dalag, diesen komischen Junior mit seinen Micky maus - Handschellen über sich, da wollte ihm Idas tränenüberströmtes Gesicht so gar nicht als ein billiger Theatereffekt erscheinen, sondern im
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