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Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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noch rechtzeitig mitzubekommen, wie aus dem Halsstumpf kurz eine riesige Blutfontäne aufschoß. Dann knickten die Beine ein, und der kopflose Körper sackte zu Boden. Dahinter kam der Ali der dritten Generation zum Vorschein!
    Aus ihm war tatsächlich ein Monster geworden. Der einstmals so attraktive Ali besaß jetzt die schmutzig-rote, völlig zerfurchte Gesichtshaut eines armen Teufels, der in Ermangelung eines Zuhauses ganztags den Launen des Wetters ausgesetzt ist. Die berühmte Cäsaren-Nase war mehrfach gebrochen und durch versäumte Behandlung zu einer unförmigen Fleischknolle deformiert. Bis auf zwei, drei gelbe spitze Stümpfe waren alle Zähne ausgefallen. Seine geröteten Augen, die tief in ihren Höhlen steckten, strahlten nur noch Haß und Blutgier aus. Seine Haltung war etwas gebückt, als hätte er einen Buckel. Er hatte die gleichen Sachen an wie er selbst, sogar den schäbigen alten Mantel erkannte Ali wieder. Doch nun waren sie endgültig zu Lumpen zerschlissen, zerfetzt und triefend vor Dreck, als würden sie ihm jeden Moment vom Leib fallen. Und man brauchte ihn nicht erst zu umarmen, um herauszufinden, daß er erbärmlich stank.
    Bevor irgend jemand zu einer Reaktion fähig war, gellte eine spitze Frauenstimme durch die Räume. Die dritte Ida kam mit einer Eisenstange in den hocherhobenen Händen aus der Dunkelheit herausgeschossen. Ali kannte die Stange. Wenn er sich nicht irrte, hatte sie schon immer irgendwo im Keller herumgelegen. Nur seine Ida erkannte er nicht mehr wieder. Sie glich einer rasenden Furie. Sie trug mehrere Fetzen aus der Altkleidersammlung übereinander. Sogar Nylonstrümpfe hatte sie an, allerdings solche, die mehr aus Laufmaschen bestanden als aus Nylon. Ihr Gesicht ähnelte dem einer verknöcherten Adligen, mehr Totenkopf als Haut - von tiefen Falten gezeichnete, kranke Haut. Das konnte man unschwer erkennen, obwohl sie sich wie ein kleines Mädchen, das sich heimlich an Mamas Kosmetikkoffer herangemacht hat, grotesk angemalt hatte. Das ganze Gesicht war geweißt wie die Fratze eines unheimlichen Clowns, aus der als Kontrast feuerrot geschminkte Bäckchen und absurd übermalte Lippen hervorstachen. Auch ihr fehlten fast alle Zähne, und auch sie stank erbärmlich.
    Sie stürmte mit irrsinnigem und irrsinnig lautem Geschrei geradewegs auf Ida zu. Diese hatte sich nach Gastons Erscheinen schamhaft zur Wand zurückgewandt. Nun drehte sie sich mit tränenüberströmtem Gesicht zum Geschehen. Sie schien erst jetzt allmählich zu begreifen, was sich hier abspielte. Und als sie die Drehung vollendet hatte, da bohrte sich die Stange tief in ihr linkes Auge und blieb dort stecken. Auch sie stieß nun infernalische Schreie aus, ergriff mit beiden Händen die Stange, war jedoch offensichtlich außerstande, sie wieder herauszuziehen, und torkelte hilflos durch den Raum. Durch das aus der Wunde schießende Blut verwandelte sie sich immer mehr in eine triefend nasse, surreale Gestalt. Auf dem Boden waren nun überall großflächige Lachen entstanden.
    »Ida!« kreischte Ali auf, »Ida, mein Liebling! Ida, mein Liebling! ...« und fühlte sich durch eine Schocklähmung doch außerstande, auch nur aufzustehen. Ein unendlich großer Schmerz durchfuhr ihn wie ein glühender Luftzug angesichts der Erkenntnis, daß er nun für immer allein auf der Welt sein würde - auf welcher Welt auch immer.
    Gaston, der die in Sekundenschnelle abgelaufenen Ereignisse starr vor Schreck und mit offenem Mund beobachtet hatte, fiel endlich der Aktenkoffer aus der Hand. Er schlug mit einer Ecke auf dem Boden auf und öffnete sich. Banknoten erbrachen sich aus ihm in solcher Menge, daß es im buchstäblichen Sinne wie ein Geldstrom wirkte.
    Der dritte Ali stürmte nach vorne und riß dabei die Axt erneut hoch. Diesmal um seinen Doppelgänger hinzurichten. Er lachte dabei markerschütternd wie ein bösartiger Dämon, dann ließ er die Axt mit voller Wucht auf Ali herabsausen. Dieser riß die Arme schützend und überkreuzt vor sich.
    »Nein, bitte nicht!« rief Gaston, warf sich vor Ali und wollte dem Angreifer die Axt aus den Händen schlagen.
    Die Schneide klatschte ihm genau mitten ins Gesicht und blieb dort stecken. Gaston fiel rückwärts um, die emporragende Axt wie ein wunderliches Horn mit sich reißend. Der gespaltene Schädel wurde sofort von einem Blutquell überflutet. Der dritte Ali ging ungerührt und ohne zu zögern auf den Toten zu und versuchte, die Axt wieder aus der Kerbe

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