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Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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Waschmaschinen buckeln? Glauben Sie, Sie schaffen das überhaupt noch die nächsten zehn Jahre? Überlegen Sie doch mal. Das Geld, das ich Ihnen angeboten habe, könnte Ihnen eine fabelhafte Zukunft ermöglichen. Sie könnten aus sich etwas machen. Sie könnten vielleicht ins Ausland gehen, vielleicht nach Spanien, warum nicht nach Mallorca, und dort ein Strandlokal oder eine Diskothek oder so etwas eröffnen. Ich prophezeie Ihnen, in den Neunzigern wird sich dort ein radikaler Imagewechsel vollziehen: von der › Putzfraueninsel ‹ zur Prominenteninsel. Aber heute könnte man grundbesitzmäßig ein Schnäppchen machen. Mallorca, das ist Ihre Zukunft, Bibo! Vielleicht komme ich Sie mal besuchen. Ja, wenn ich es mir recht überlege, müssen Sie sogar ins Ausland, am besten gleich noch in dieser Woche. Nehmen Sie ruhig Ihre Frau mit ...«
    »Was für eine Frau?« fragte Bibo mit solch ausdrucksloser Stimme, als wäre er ein im Garten aufgestellter Automat.
    »Nehmen Sie auch Ihre Kinder mit … «
    »Was für Kinder?«
    »Mein Gott, dann gehen Sie halt alleine! Verschwinden Sie einfach! Aber die zweihunderttausend Mark erhalten Sie nur, wenn Sie schnellstens das Land ver ...«
    Plötzlich ein seltsames Geräusch. Es hatte sich angehört, als zerbreche eine dicke Eierschale, vielleicht die Schale eines Straußeneis. Obwohl Ali noch nie ein Straußenei zerbrechen gehört hatte, assoziierte er das rauhe, irgendwie brutale Knacken, das er wahrgenommen hatte, damit. Dann ein Laut so ähnlich wie »Gummmpf!«, fest und nach Widerstand klingend, der Schlußakkord des Schalenbruchs.
    Ali blickte mit einem Stöhnen zu den Sternen auf. Sie strahlten teilna h mslos auf ihn herab wie Blinde mit offenen, wunderschönen Augen. Er drehte sich herum und sah etwas völlig Absurdes, etwas, das er zunächst überhaupt nicht einordnen konnte: Bibo war ein Schnabel gewachsen! Ja, kein Zweifel, dort wo sich bei Bibo der Mund hätte befinden müssen, ragte nun ein etwa dreißig Zentimeter langer, leicht abwärts gebogener und am Abschluß eckig werdender Schnabel hervor. Unglaublich! Wie hatte er das bloß gemacht? Oder aber er streckte ihm die Zunge heraus, aus was für einem Grund auch immer. Doch genauso unglaublich war es wohl, daß der tumbe Umzugshelfer eine dreißig Zentimeter lange Zunge besitzen sollte, die er vor ihm die ganze Zeit verborgen gehalten hatte. Nein, nein, es handelte sich eindeutig um einen dünnen, aber dafür sehr langen Schnabel, auch wenn die Dunkelheit ein detailliertes Studium verhinderte.
    Bibo schaute Ali so bedächtig an, als ließe er sich sein Angebot ernsthaft durch den Kopf gehen. Seine Augen spiegelten eine angestrengte Konzentration, seine Hände zitterten heftig, als treffe er jetzt die Entscheidung seines Lebens. Natürlich sah das mit dem Schnabel sehr amüsant aus, aber gleichzeitig auch sehr unheimlich. Zumal aus der Stelle, wo der Schnabel herauswuchs, dem ehemaligen Mund, etwas Schwarzes hervorbrach und sich über die Lederkluft ergoß. Ali ahnte, was es war: Blut! Bibo machte einen Schritt auf ihn zu, nein, das war nicht ganz richtig, die Vorwärtsbewegung täuschte das nur vor, er fiel aufrecht vornüber, und während er fiel, kam langsam der lange Stiel der Kreuzhacke, die ihm in den Hinterkopf geschlagen worden und vorne aus dem Mund wieder ausgetreten war, wie ein sich emporschwingendes Pendel zum Vorschein. Und zum Vorschein kam auch Ida, die hinter dem Fallenden stand, ein schwarzer Engel, der im Gegensatz zu den weißen Engeln die wahrlich Gefallenen beschützte.
    »Ach Ida«, sagte Ali traurig, und diese Traurigkeit war nicht gespielt, sie kam tatsächlich aus dem tiefsten Grund seines Herzens. »Ach Ida, wir können doch nicht all diese Leute umbringen.«
    Bibo lag bäuchlings auf dem Gras und regte sich nicht. Aus seinem kahlen Hinterkopf ragte die Hacke diagonal in die Luft wie ein exzentrischer Kopfschmuck. Schwarzschimmerndes Blut trat aus der Einschlagstelle aus und rann den Nacken herunter.
    »Doch«, sagte Ida ebenfalls traurig. Sie sah aus, als umhülle sie ein weiter, düsterer Vorhang, so sehr glich sie schon einem Phantom der Nacht. »Das können wir. Sie sterben ja nicht wirklich. Sie leben ...«
    »... in uns weiter«, vollendete Ali den Satz. »Trotzdem hätte es vielleicht von ein wenig Taktgefühl gezeugt, wenn du den alten Bibo erst gefragt hättest, bevor du seinem jüngeren Ich eine rostige Hacke in den Schädel schlägst.«
    Sie verharrten noch eine Weile stumm

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