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Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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neben der Leiche, die eventuellen neugierigen Blicke aus den Nachbargebäuden vollkommen ignorierend. Dann entdeckte Ali doch noch etwas Positives an der Sache.
    »Na ja, wenigstens haben wir auf diesem Wege zweihunderttausend Mark gespart.«
    Ida lächelte frostig.
    »Was für zweihunderttausend Mark? Du scheinst wohl vergessen zu haben, daß wir fast pleite sind. Wenn ich deinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen darf: Als wir damals hier einzogen, hatten wir kaum noch einen Pfennig. Du mußtest in den folgenden Monaten viele Gemälde fertigstellen, um finanziell wieder zu Atem zu kommen. Erst danach ging es wieder bergauf. Ganz abgesehen davon, hast du denn im Ernst geglaubt, daß du so einen Einfaltspinsel mit solchen Phantasiesummen zum Schweigen gebracht hättest?«
    »Und was sagen wir, wenn uns jemand fragt, was mit ihm geschehen ist?«
    »Ganz einfach: daß wir nicht wüßten, daß er hier je aufgetaucht ist.«
    Wo sie recht hatte, hatte sie recht. Es schien überhaupt zweckmäßig, ihr recht zu geben, denn Ali überkam langsam eine bleierne Müdigkeit. Er fühlte sich allmählich ermattet angesichts der dramatischen Ereignisse dieser Nacht. Normalerweise hätte er um diese Stunde in das zehnte oder zwölfte Wodkaglas gestarrt, in dem Bilder seines verpfuschten Lebens herumgeschwommen wären. Nun aber war er in das richtige Leben zurückgekehrt, wenn auch auf gruselige Art und Weise, und dieses Leben gestaltete sich recht beschwerlich. Zudem wartete auf ihn erneut anstrengende körperliche Arbeit, so daß fürs Sinnieren über die frevelhaften Taten keine Zeit blieb.
    Ali ließ Bibo zu Ali und Ida in die Grube gleiten. Zugegeben, so eine Bestattungskonstellation hatte er sich auch nicht vorgestellt, doch er war zu erschöpft und zu verstört, um sich jetzt bessere Lösungen für die Leichenentsorgung einfallen zu lassen. Natürlich herrschte nun in der Grube ein ziemliches Gedränge, was zweierlei zur Folge haben würde: Erstens konnte er schlecht abschätzen, was geschehen würde, wenn sich in einem ohnehin niedrigen Grab gleich drei Leichen auf einmal tummelten, und zweitens dürfte der Gestank aus der Erde in warmen Tagen kaum mehr zu ertragen sein. Und wie die erste Bestätigung dieser Befürchtungen kam es Ali vor, als er die aufgehäufte Erde wieder in die Grube zurückgeschaufelt hatte, jedoch trotz des Plättens der Oberfläche mit der Schaufelkehrseite feststellen mußte, daß an dieser Stelle doch ein ansehnlicher Hügel entstanden war. Seine inzwischen arg fortgeschrittene Ermüdung ließ das Resultat jedoch in einem weniger dramatischen Licht erscheinen, so daß er die Lösung des Problems in die Zukunft verschob. Nichtsdestotrotz schwor er sich, gleich morgen früh in einem Blumengroßhandel Samen und Setzlinge von Pflanzen zu besorgen, die in der Hauptsache ein durchdringendes Bukett entfalteten.
    Er brachte Hacke und Schaufel in den Keller zurück, ging in das Haus und bemerkte trotz der Dunkelheit, daß alle Blutspuren auf dem Dielenboden beseitigt worden waren. Beim Vorbeigehen durch den Gang von der Küche ins Berliner Zimmer erblickte er flüchtig Ida im Gästebad unter der Dusche. Dann entdeckte er inmitten des Wohnzimmers ein aus mehreren Wolldecken und Sofakissen zusammengestelltes Schlaflager. Da erst ging ihm auf, daß sie das Schlafzimmer diese Nacht wegen der blutdurchtränkten Matratze ja nicht benutzen konnten. Nachdem Ida fertig war, ging auch er unter die Dusche. Als er zurückkam und sich neben sie unter die Decke legte, glaubte er, seine Augen nach all der Anstrengung endlich schließen und in einen gerechten Schlaf fallen zu können.
    »Wir müssen es besiegeln!« hörte er Ida von der Seite, und ihre Stimme hallte in dem riesenhaften, leeren, finsteren Raum ein bißchen nach. Sie lag splitternackt da, das spürte er trotz seiner eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeit.
    »Ich bin müde, Ida. Laß uns lieber über unsere Sünden nachdenken - oder davon träumen.«
    »Nein, wir müssen diesen Akt symbolisch besiegeln.«
    »Was meinst du damit?«
    »Du weißt schon.«
    »Nachdem, was geschehen ist?«
    »Genau deswegen! Das wird uns fester aneinander binden. Vertrau mir.«
    Er spürte nach langer, langer Zeit wieder Idas Körper an seiner Haut, in seinen Händen und an seinem Gesicht und nahm ihren Geruch wahr. Sie war außergewöhnlich feucht, so feucht, daß Ali meinte, in einen Wackelpudding zu stoßen. Er gab sich alle Mühe. Um sie fühlen zu lassen, wie sehr er diese

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