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Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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mittlerweile so schief saß, daß sie jeden Moment abzustürzen drohte, sackte ein wenig zur Seite und sein Blick bekam etwas Jenseitiges. Sein Mund stand offen und eine undefinierbare trübe Flüssigkeit rann in dünnen Fäden über sein Kinn. Die Hände streichelten nicht einmal mehr die Erde, sie spielten nur noch gedankenverloren damit. Sie lasen einige Krümel auf und ließen sie dann zwischen den Fingern rinnen. Die Mütze fiel endlich herunter und entblößte eine verschwitzte Halbglatze. Hardy wirkte jetzt wie der Mönch einer höchst suspekten Sekte.
    Ali glaubte sich von seinem Ziel nur noch eine Haaresbreite entfernt. Gleich würde der Bär umkippen und für eine kleine Ewigkeit die Augen schließen. Falls er nicht längst eine Alkoholvergiftung hatte und einige Jährchen vor dem vorgesehenen Termin Bekanntschaft mit dem Koma schließen würde. Aber das schien unwahrscheinlich, schließlich hatte Ali in der Vergangenheit oft genug mit eigenen Augen beobachten dürfen, wie der gute Freund schon manch härtere Nacht unbeschadet überstanden hatte. Wenn er am nächsten Tag aufwachen würde, was sich für ihn etwa so anfühlen dürfte, als habe er Pest und Cholera gleichzeitig, würde er sich an den Ausklang des Abends wohl kaum mehr erinnern. Es war sogar anzunehmen, daß er bezüglich Alis Feier einen Filmriß haben würde. Eine solche Hammerdosis würde selbst einem Elefanten das Gedächtnis verwüsten. Ali mußte jetzt nur noch dafür sorgen, daß die Kellner Hardy gleich oben ins Schlafzimmer verfrachteten. Dort konnte er bis zum Ende der Party in seinem Säufernirwana schweben. Danach würde er ihn nach Hause fahren und für immer sich selbst überlassen.
    »Killer, du Killer ...«, murmelte Hardy. Es war das letzte Wehklagen des harpunierten Wales, der sich noch etliche Kilometer weitergeschleppt hatte, doch nun allmählich seine Lebensgeister erlöschen spürte. Die beiden Männer blickten einander unverwandt in die Augen, und in beiden Augenpaaren spiegelte sich die Wahrheit über ihr künftiges Schicksal. Es war keine schöne Wahrheit, die sie da sahen.
    »Mit dir stimmt etwas nicht, Killer«, sagte Hardy. Anscheinend besaß er immer noch ein paar Tropfen im Tank. »Nein, du bist anders, nicht du selbst. Noch vor einem Monat, da … «
    Wieder rann die trübe Flüssigkeit aus seinem Mund.
    »Und jetzt ... Du bist anders, wie ausgewechselt bist du. Irgendwas, du hast irgendwas gemacht. Dieses Haus, es riecht seltsam, nach Tod irgendwie. Und dieser Hügel, beschissen seltsamer Hügel, Hügel am Ende des Gartens, du hast einen schönen Garten, und ich schaue auf ein verkrüppeltes Gebüsch an der Schnellstraße, wo Penner hinkacken, dieser Hügel, es liegt was vergraben darunter, die toten Affen, hast sie einfach kaltgemacht, die Affen … «
    »Nichts liegt hier vergraben, Hardy, rein gar nichts«, sagte Ali und lächelte ihn so zärtlich an wie der Haifisch den Wal, der in einer überdimensionalen Wolke aus Blut treibt.
    »Und was ist das?«
    Ali dachte zuerst, daß es sich lediglich um eine weitere gelallte Belanglosigkeit handelte. Doch dann spürte er den Ernst in Hardys durchbohrendem Blick, und ohne daß dieser Blick irgendwohin deuten mußte, senkte er instinktiv den Kopf. Hardy hielt einen aus der Erde ragenden Fuß in der Hand. Er steckte in einem schlammverdreckten Doc-Martens-Boot, und unter dem ebenfalls vollkommen verdreckten Hosenbein sah man ein kleines Stück der Wade. Sie war pechschwarz und irgendwie schuppig, als löse sie sich Schicht für Schicht langsam auf. Ein süßlicher, übelerregender Gestank wehte Ali plötzlich in die Nase.
    Großer Gott, wann hatte diese Halbleiche den Fuß dieser Volleiche aus der Erde gefummelt! Es hatte nur einer Minute der Unaufmerksamkeit bedurft, und Hardy hatte trotz seiner Ausfälle das vollbracht, was er, Ali, die ganze Zeit zu verhindern versucht hatte. Es war unfaßbar! Einfach unfaßbar, wie gemeingefährlich dieser Kerl war! Selbstverständlich traf auch den echten Totengräber die Schuld. Es war wahrlich keine gute Idee gewesen, den schweren Bibo im bescheidenen Mausoleum der jungen Seichtems unterzubringen. Doch noch unverzeihlicher war es wohl gewesen, diesen Fehler im zurückliegenden Monat nicht korrigiert und die Leiche umgebettet zu haben, um im Bestatterjargon zu bleiben. Jetzt rächte sich Alis Verdrängungstaktik. Jedenfalls war es nun zu spät.
    Oder vielleicht doch nicht?
    Ali spürte solch namenlosen Zorn wie seit der tagelangen

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