Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)
das der nicht würde ablehnen können. Und tatsächlich hörte er kurz zu graben auf, nahm ihm die Flasche ab und trank ausgiebig. Danach ächzte er so laut und qualvoll, als hätte in seinen Eingeweiden eine Detonation stattgefunden.
»Unser Leben ist nun einmal verschieden, aber das heißt doch nicht, daß wir keine Freunde mehr sind«, fuhr Ali fort, entriß ihm die Flasche und tat so, als würde er wieder trinken. In Wahrheit verstopfte er mit der Zunge die Öffnung. Er reichte die Flasche wieder zurück, die der Totengräber bereitwillig annahm. »Herrgott, du müßtest mal in meiner Situation sein. Dann würdest du es dir bestimmt zweimal überlegen, ob du wirklich mit mir tauschen willst. Der Druck von Gaston, das ewige Jetten rund um die Welt, der Streß mit den Finanzen, die Steuer, ich kann dir verraten, das kann einen ganz schön fertigmachen. Erfolg ist eine schöne Sache, aber nur wenige kennen auch die Kehrseite der Medaille.«
Hardy lächelte bitter, als durchschaue er den plumpen Trost, und arbeitete unbeirrt weiter.
»Aber früher hast du trotz deines garstigen Jochs immer noch Zeit gefunden, an der Seite deines alten Freundes Wünschelrutengehen mit deinem Schwanz zu spielen oder?«
Ali spürte, daß er die Sache etwas beschleunigen mußte. Irgendwann war auch der stärkste Bär außer Gefecht gesetzt, man mußte das Betäubungsgeschoß nur richtig dosieren. Er linste noch einmal unauffällig nach hinten zur Küche, wo der Kellner den Raum gerade mit einem großen Tablett voller Weingläser verließ. Ali rückte näher an Hardy heran und legte ihm einen Arm um die Schulter. Er hielt ihn nun richtig fest an sich gedrückt. Dann nahm er die Flasche und führte sie ihm an den Mund. Hardy wehrte sich nicht, sondern soff begierig wie ein Säugling seine Milch.
»Alles wird wieder so sein wie früher, Hardy, vertrau mir. Schon nächste Woche ziehen wir wieder zusammen los, ganz wie früher«, sprach er beruhigend auf ihn ein. Dabei rückte er unmerklich immer näher an ihn heran, so daß sie vom Haus aus gesehen das Bild zweier Kumpels abgaben, die in trauter Harmonie miteinander picheln. Obwohl Hardy zwischendurch genug zu haben schien, hielt Ali ihm die Flasche unerbittlich an die Lippen. Der alte Säugling schluckte wohl oder übel weiter, Schnaps rann ihm aus den Mundwinkeln und über das Kinn und erreichte schließlich seinen freiliegenden, haarigen Bauch. Dann endlich hatte Ali ein Erbarmen.
»Wir sind beide aus der gleichen Position gestartet, du Hurensohn!« sagte Hardy. Er sprach jetzt wieder klar, dafür jedoch sehr langsam. Auch seinen Bewegungen haftete etwas Gemächliches, ja Bleiernes an, und er streichelte die Erde eher, als daß er darin grub. »Ich war sogar auf dem vorderen Platz. Aber du, du hast Glück gehabt, hast im Lotto gewonnen, hast diesen Scheiß mit den Toten zur Weltsensation aufgeblasen, und die Leute haben es gefressen. Jetzt hast du alles, und ich habe nur Schulden. Dabei bist du auch nicht besser als ich. Das ist ungerecht!«
»Irrtum, Hardy, das ist sehr gerecht. Die meisten Menschen begehen im Laufe ihres Lebens eine Reihe von kleinen Sünden. So wie du. Das registriert Gott aber nicht, das ist für ihn Kleinkram, es ist für ihn uninteressant. Gott ist immer nur von denjenigen fasziniert, die große Sünden begehen. Wie von mir. Weißt du auch, warum? Damit er sich später raffinierte Strafen für sie ausdenken kann. Ist einfach unterhaltender für ihn. Du hättest dich von Anfang an auf große Sünden spezialisieren müssen, wenn du eine große Nummer hättest werden wollen, vielleicht hättest du dann auch im Lotto gewonnen.«
»Ich habe keine Ahnung, was du mit diesem Quatsch meinst, Killer.«
»Das macht nichts, Hardy. Hauptsache, ich enttäusche dich nicht als Gastgeber. Prost!«
Ali setzte die Flasche erneut an Hardys Mund und preßte die andere Hand gegen dessen Hinterkopf, so daß eine ideale Abfüllposition gewährleistet war. Hardys Widerwillen konnte man nur daran erkennen, daß er den Kopf adagio schüttelte. Seine rotgeränderten Augen dagegen starrten seinen fürsorglichen Freund weiterhin erwartungsvoll an, als giere er nach der Druckbetankung. Ali hob die Flasche etwas höher als beim letzten Mal an und verstärkte den Druck. Als in der Flasche nur noch ein knappes Viertel übriggeblieben war, gönnte Ali sich und Hardy wieder eine Pause.
Hardy kniete jetzt vor der Grube und wankte mit dem Oberkörper. Sein Kopf, auf dem die Baskenmütze
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