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Die Tuer im Schott

Die Tuer im Schott

Titel: Die Tuer im Schott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickson Carr
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»Daß er unter dem Gefühl eines Verbrechens gelitten habe, auch wenn er nicht wußte, was es war. Dieses ›Gefühl eines Verbrechens‹, das ihn ja erst recht zum Puritaner machte, scheint sich durch die ganze Affäre zu ziehen; aber ehrlich gesagt, verstehe ich bis jetzt nicht, wie es mit allem anderen zusammenhängt. Können Sie uns das erklären?«
    Dr.   Fell steckte die leere Pfeife in den Mund und zog daran.
    »Die Erklärung«, antwortete er, »hat mit einer krummen Türangel zu tun und der weißen Tür, die daran hing. Das ist das Geheimnis, um das dieser ganze Fall sich dreht. Wir werden gleich darauf kommen.
    Jeder von beiden hatte also das Geheimnis des anderen wie einen Dolch im Ärmel und tat dabei doch vor aller Welt, selbst vor dem anderen, als sei alles in schönster Ordnung. Sie waren gerade einmal drei Monate verheiratet, als Victoria Daly umkam, ein Opfer des geheimen Hexenkults. Wir können uns ausmalen, was Farnleigh damals empfand.   Könnte ich doch nur einmal …   wurde für ihn zum Fetisch, zum Refrain. Und solange er   nicht   konnte – nämlich aller Welt sagen, was er wußte –, war sie in Sicherheit. Über ein Jahr lang war sie in Sicherheit.
    Doch dann kam der Donnerschlag – ein anderer erschien, der Titel und Besitz für sich beanspruchte. Worauf ihr blitzschnell eine Reihe von Dingen aufging, so klar und logisch und zwingend wie das   ABC.
    Er war, wie sie wußte, nicht der wahre Erbe.
    Es schien wahrscheinlich, daß der Herausforderer sich als der wahre Erbe erweisen würde.
    Wenn der Herausforderer sich als der wahre Erbe erwies, würde ihr Mann sein Vermögen verlieren.
    Wenn er sein Vermögen verlor, gab es für ihn keinen Grund mehr, nicht zu sagen, was er über sie wußte, und er würde nicht zögern.
    Also mußte er sterben.
    So einfach ist das, meine Damen und Herren, und ebenso gewiß.«
    Kennet Murray regte sich in seinem Sessel und zog die Hand fort, mit der er sich die Augen beschirmt hatte.
    »Einen Augenblick, Doktor. Das wäre also ein lange vorbereitetes Verbrechen gewesen?«
    »Nein!« rief Dr.   Fell aus tiefster Überzeugung. »Nein, nein, nein! Das muß ich ausdrücklich betonen. Die Tat war brillant ausgedacht und ausgeführt, doch beides geschah erst vorgestern abend, beides binnen Sekunden. Es war genauso spontan wie jene andere Tat tags darauf, als der Automat die Treppe hinuntergestoßen wurde.
    Lassen Sie mich erklären. Als sie erfuhr, daß es einen Herausforderer gab (und zwar früher, würde ich vermuten, als sie zugab), da wird sie davon ausgegangen sein, daß sie   vorerst   nichts zu befürchten habe. Ihr Mann würde die Ansprüche des anderen bestreiten; sie mußte ihn dazu bringen, daß er sie bestritt, und – so ironisch das war – für ihn kämpfen. Sie konnte sich nicht wünschen, daß er seinen Besitz verlor, so sehr sie ihn auch haßte, sondern mußte sich jetzt enger an ihn halten denn je. Es war gut denkbar, daß er sich vor Gericht durchsetzen konnte, denn das Gesetz steht immer eher auf seiten des Inhabers eines Titels, und die Gerichte sind bei solchen Besitzstreitigkeiten sehr vorsichtig. Und auf alle Fälle würde das Verfahren sich in die Länge ziehen, so daß sie Zeit hatte, in Ruhe zu überlegen.
    Was sie nicht wußte – weil die Gegenseite das Geheimnis bis vorgestern abend sorgfältig hütete –, war, daß es die Fingerabdrücke gab. Hier war nun plötzlich ein eindeutiger Beweis. Hier war Gewißheit. Mit diesem mörderischen Fingerabdruck ließ sich die ganze Angelegenheit binnen einer halben Stunde klären. Sie kannte ihren Mann gut genug, seine unbeirrbar ehrliche Art, und wußte, daß er seinen Betrug zugeben würde, sobald er erst einmal selbst überzeugt war: sobald er in seinem tiefsten Innersten wußte, daß er nicht John Farnleigh war.
    Als diese Bombe platzte, begriff sie sofort, in welch unmittelbarer Gefahr sie sich befand. Erinnern Sie sich an Farnleighs Stimmung an jenem Abend? Wenn Sie es mir korrekt beschrieben haben, steckte doch hinter jedem Wort, das er sprach, hinter jeder Bewegung, die er machte, der eine allesbeherrschende, unerbittliche Gedanke: ›Hier hätten wir also den Test. Wenn ich ihn bestehe, will ich es gern zufrieden sein. Wenn nicht, dann bleibt mir ein Trost, der beinahe alles andere aufwiegt: Ich kann endlich sagen, wer meine Frau wirklich ist.‹ – Ahemm, ja. Habe ich seine Stimmung korrekt gedeutet?«
    »Ja«, gab Page zu.
    »Deshalb griff sie zu verzweifelten Mitteln.

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