Die Tuer im Schott
ich kann Ihnen auch eine Antwort geben. Aber könnten Sie – oder einer der anderen – mir vorher sagen, was sich gestern abend im Herrenhaus zugetragen hat? Bevor diese gräßliche Geschichte geschehen ist, meine ich. Was haben die beiden gesagt und getan, als sie noch beide behaupteten, sie seien Sir John Farnleigh?«
»Wir können uns Ihre Geschichte getrost noch ein weiteres Mal anhören, Mr. Page«, sagte Elliot.
Page erzählte sie, mit so vielen Feinheiten und Eindrücken, wie ihm nur einfielen. Madeline nickte ein paarmal mit dem Kopf; sie atmete schwer.
»Jetzt sage mir noch eins, Brian: Was hat dich bei der ganzen Befragung am meisten beeindruckt?«
»Die absolute Gewißheit beider Kandidaten«, antwortete Page. »Farnleigh zögerte ein- oder zweimal, aber bei Punkten, die mir nebensächlich schienen; doch als er wirklich auf die Probe gestellt wurde, war er mit Feuereifer dabei. Nur ein einziges Mal hat er gelächelt oder ein erleichtertes Gesicht gemacht. Das war, als Gore ihn anschuldigte, er habe ihn an Bord der Titanic mit einem Seemannshammer erschlagen wollen.«
»Noch eine Frage bitte.« Madeline atmete heftiger denn je. »Hat einer von beiden etwas über die Puppe gesagt?«
Es folgte eine Pause. Dr. Fell, Inspektor Elliot und Brian Page sahen einander verständnislos an.
»Die Puppe?« fragte Elliot und räusperte sich. »Was für eine Puppe?«
»Darüber, wie man sie zum Leben erwecken kann? Oder etwas über das ›Buch‹?« Dann war es, als verberge sich ihr Gesicht hinter einer Maske. »Oh, es tut mir leid«, sagte sie. »Ich hätte das nicht sagen sollen – aber ich hätte gedacht, es müßte das erste sein, was zur Sprache kommt. Vergessen Sie es.«
Dr. Fell neigte sein Löwenhaupt und betrachtete sie mit heiterer und munterer Miene.
»Meine liebe Miss Dane«, brummte er, »Sie erwarten ein Wunder. Sie fordern ein Wunder, das größer ist als jedes, das in jenem Garten geschehen sein mag. Führen Sie sich vor Augen, was Sie von uns verlangen. Sie sprechen von einer Puppe, davon, daß sie womöglich zum Leben erweckt werde, Sie munkeln von etwas, das Sie das ›Buch‹ nennen, und geben uns zu verstehen, daß all das mit dem Rätsel zu tun hat, das uns so sehr beschäftigt. Sie sagen, Sie hätten gedacht, es müsse das erste sein, was zur Sprache käme. Und dann fordern Sie uns auf, es zu vergessen. Denken Sie denn, ein gewöhnlicher Mensch, fiebernd vor Neugier, könnte …«
Madeline stellte sich stur.
»Aber nicht mich hätten Sie danach fragen sollen«, protestierte sie. »Im Grunde weiß ich überhaupt nichts darüber. Die anderen hätten Sie fragen müssen.«
»›Das Buch‹«, sagte Dr. Fell nachdenklich. »Das wird doch nicht das ›Rote Buch von Appin‹ sein?«
»Doch, ich glaube, ich habe später gehört, daß es so genannt wird. Ich habe etwas darüber gelesen. Es ist eigentlich kein Buch, sondern ein Manuskript; jedenfalls hat John mir das einmal erzählt.«
»Moment«, unterbrach Page. »Murray hat danach gefragt, und beide schrieben ihm Antworten auf. Gore sagte mir später, es sei eine Fangfrage gewesen, und ein ›Rotes Buch von Appin‹ gebe es nicht. Wenn es aber nun doch existiert, dann wüßten wir, daß Gore der Hochstapler ist, oder?«
Dr. Fell schien im Begriff, etwas zu sagen, und zwar mit einiger Erregung oder Vehemenz; doch dann holte er tief durch die Nase Luft und blieb still.
»Ich wünschte, ich wüßte es«, sagte Elliot. »Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß nur zwei Menschen für dermaßen viel Zweifel und Verwirrung sorgen können. Im einen Augenblick ist man noch sicher, daß der eine der Echte ist, im nächsten genauso sicher, daß es der andere ist. Und wie Dr. Fell schon gesagt hat – solange wir in diesem Punkt keine Gewißheit haben, werden wir auch nicht weiterkommen. Ich hoffe doch, Miss Dane, Sie versuchen nicht, dieser Frage auszuweichen. Die Antwort sind Sie uns immer noch schuldig: Sind Sie der Ansicht, daß der verstorbene Farnleigh ein Hochstapler war?«
Madeline warf den Kopf in den Nacken, daß sie gegen die Lehne ihres Sessels schlug. Eine so unkontrollierte Bewegung, ein solches Zeichen von Erregtheit, hatte Page nie zuvor an ihr gesehen. Sie öffnete die rechte Hand, dann schloß sie sie wieder.
»Das kann ich Ihnen nicht sagen«, antwortete sie hilflos. »Ich kann es nicht. Jedenfalls nicht, bevor ich nicht mit Molly gesprochen habe.«
»Aber was hat Lady Farnleigh mit uns zu
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