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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Braxa über die Dünen und in die Berge. Manchmal tanzte sie für mich, und dann las ich ihr etwas Langes in daktylischen Hexametern vom. Sie dachte immer noch, ich wäre Rilke, und beinahe hätte ich mir eingeredet, daß es zutraf. Da war ich im Schloß von Duino und schrieb seine Elegien.
     
    … es ist seltsam, wieder auf Erden zu weilen,
    nicht länger Sitten zu gebrauchen, die man kaum erlernt,
    und keine Rosen zu erklären …
     
    Nein! Man soll Rosen nie erklären! Nie. Sie riechen, sie pflücken, sich an ihnen erfreuen. Im Augenblick leben, ihn festhalten. Aber verlange nicht, daß die Götter ihn erklären. So schnell die Blätter vorbeiziehen, so schnell der Wind sie fortbläst …
    Und niemand bemerkte uns je. Niemand kümmerte sich um uns.
    Laura. Laura und Braxa. Das ist eine Art Reim. Sie war groß, kühl und blond (ich hasse Blondinen!), und Daddy hatte mich umgestülpt, wie eine Tasche. Ich dachte, sie könnte mich wieder füllen. Aber der große Wortkünstler mit seinem Judasbart und seinen treuen Hundeaugen war nichts anderes gewesen als ein Dekorationsstück für ihre Parties.
    Das war also meine Beziehung zu Laura!
    Wie die Maschine mich im Tempel verfluchte! Sie verspottete Malann und Gallinger. Der wilde Westwind strich vorbei. Und irgend etwas war dicht hinter uns.
    Die letzten Tage waren gekommen.
     
    Ein Tag verstrich, und ich sah Braxa nicht. Dann eine Nacht.
    Und ein zweiter und dritter.
    Ich war halb verrückt. Ich hatte gar nicht erkannt, wie nahe wir uns gekommen waren, wie wichtig sie gewesen war. Mit der dummen Sicherheit, die mir ihre Anwesenheit gab, hatte ich dagegen angekämpft, Rosen zu befragen.
    Ich mußte fragen. Ich wollte nicht, aber es blieb mir keine andere Wahl.
    „Wo ist sie, M’Cwyie? Wo ist Braxa?“
    „Sie ist gegangen“, sagte sie.
    „Wohin?“
    „Ich weiß nicht.“
    Ich blickte in diese Teufelsvogelaugen.
    „Ich muß es wissen.“
    Sie blickte durch mich hindurch.
    „Sie hat uns verlassen. Sie ist gegangen. In die Berge, glaube ich. Oder die Wüste. Es ist nicht wichtig. Was ist überhaupt wichtig? Der Tanz neigt sich dem Ende zu. Der Tempel wird bald leer sein.“
    „Warum? Warum ist sie gegangen?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Ich muß sie wiedersehen. Wir starten in ein paar Tagen.“
    „Es tut mir leid, Gallinger.“
    „Mir auch“, sagte ich und knallte ein Buch zu, ohne ‚M’narra’ zu sagen.
    Ich stand auf.
    Ich werde sie finden!
    Ich verließ den Tempel.
    M’Cwyie saß da wie eine Statue. Meine Stiefel standen noch, wo ich sie verlassen hatte.
     
    Den ganzen Tag brüllte ich die Dünen hinauf und hinunter, nirgendwohin. Für die Mannschaft der „Aspic“ muß ich ausgesehen haben wie ein Sandsturm. Schließlich mußte ich umkehren, mir Treibstoff holen.
    Emory kam herausgestelzt.
    „Na los! Sagen Sie es schon. Sie sehen wie der große Staubmann aus. Was soll das Rodeo?“
    „Nun, ich habe etwas verloren.“
    „Mitten in der Wüste? Vielleicht eines Ihrer Sonette? Ich könnte mir nicht vorstellen, daß Sie um irgend etwas anderes solchen Wirbel machen würden.“
    „Nein verdammt! Etwas Persönliches.“
    George hatte inzwischen den Tank gefüllt. Ich wollte mich wieder hinter das Steuer setzen.
    „Langsam!“ Er packte meinen Arm.
    „Sie fahren jetzt nicht weg, bevor Sie mir nicht gesagt haben, was das ganze soll.“
    Ich hätte ihn leicht abschütteln können, aber dann hätte er bestimmt veranlaßt, daß man mich an den Füßen zurückschleppte, und es gab eine ganze Menge Leute, die Spaß daran gehabt hätten. Also zwang ich mich dazu, leise und langsam zu sprechen:
    „Ich hab’ einfach meine Uhr verloren. Sie war ein Geschenk meiner Mutter, ein Familienerbstück. Ich möchte sie wiederfinden, ehe wir abreisen.“
    „Und Sie sind sicher, daß sie nicht in Ihrer Kabine liegt oder in Tirellian?“
    „Ich habe bereits nachgesehen.“
    „Vielleicht hat sie jemand versteckt, um Sie zu ärgern. Sie wissen doch, daß Sie hier nicht gerade der Beliebteste sind.“
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Daran habe ich gedacht. Aber ich trage sie immer in meiner rechten Tasche. Ich glaube, sie ist wahrscheinlich herausgefallen, als ich über die Dünen fuhr.“ Er kniff die Augen zusammen.
    „Ich erinnere mich aber, daß auf einem Buchumschlag stand, Ihre Mutter sei bei Ihrer Geburt gestorben.“
    „Stimmt“, sagte ich und biß mir auf die Zunge. „Die Uhr gehörte ihrem Vater, und sie wollte, daß ich sie bekomme. Mein Vater hat sie

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