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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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vielleicht wartete eine bessere Zeit auf irgendeiner bis jetzt noch unentdeckten Welt, wartete auf einen ganz bestimmten Augenblick in seiner Geschichte, die es noch aufzuzeichnen galt. Wie sollte ich das je erfahren? Wie konnte ich wissen, ob mein ganz persönliches Goldenes Zeitalter nicht nur eine einzige Welt von mir entfernt lag, ob ich mich vielleicht vergeblich in einer finsteren Ära abmühte, während die Renaissance meiner Tage nur ein Ticket, ein Visum und eine Tagebuchseite von mir entfernt war? Das war meine zweite Verzweiflung. Ich kannte die Antwort nicht, bis ich in die Welt des Schwanes kam. Ich weiß nicht, warum ich dich liebte, Eleanor, aber ich habe es getan. Und dann kamen die Regen.
    Als die Lichter wieder aufflammten, saßen wir da und rauchten. Sie hatte mir von ihrem Mann erzählt, der den Tod eines Helden gestorben war, noch rechtzeitig, um ihn vor dem Delirium zu bewahren, das sonst seine Tage beendet hätte. Er starb wie die Tapfersten sterben – ohne zu wissen, warum, wegen eines Reflexes, der ein Teil von ihm gewesen war, eines Reflexes, der ihn veranlaßt hatte, sich selbst einem Rudel wolfähnlicher Kreaturen in den Weg zu werfen, die die Forschungsgruppe angriffen, bei der er sich befand. Drüben in jenem Wald am Fuße des Saint-Stephen war es geschehen. Er hatte mit einer Machete gegen sie anzukämpfen versucht und war von ihnen zerrissen worden. Seine Begleiter konnten ins Lager fliehen, wo sie sich wehrten und schließlich Rettung fanden.
    Wir blickten auf die Monitoren an der Wand. Ist der Mensch ein denkendes Lebewesen? Größer als Tiere, aber geringer als Engel? Und der Mörder, den ich in jener Nacht erschoß? Er war kein Mensch. Er war nicht einmal ein Wesen, das Werkzeuge benutzt oder seine Toten begräbt. Ist der Mensch ein Wesen, das lacht, hofft, sich bewährt? Ich sah nichts davon. Ist er ein Wesen, das sich dabei beobachtet, wie es sich dabei beobachtet, indem es Dinge tut, von denen es weiß, daß sie absurd sind? Zu kompliziert. Das Wesen handelt einfach absurd, ohne zu beobachten, ein Wesen, das in sein brennendes Haus zurückrennt, um seine Lieblingspfeife und eine Dose Tabak zu holen! Ist er ein Wesen, das Religionen entwickelt? Ich sah Leute beten, aber sie entwickelten keine Religionen. Das waren letzte Versuche, sich zu retten, nachdem sie alle anderen Möglichkeiten erschöpft hatten. Reflex?
    Ist er ein Wesen, das liebt?
    Das mag das einzige Kriterium sein, das ich nicht widerlegen kann.
    Ich sah eine Mutter, die ihre Tochter auf den Schultern hielt, während das Wasser um ihre Achselhöhlen sprudelte, und das kleine Mädchen hielt seine Puppe genauso über seine Schultern. Aber ist das nicht – die Liebe meine ich – ein Teil des Ganzen? Ein Teil von allem, was man je getan oder gewünscht hat? Positiv oder negativ? Ich weiß, daß es das ist, was mich dazu brachte, meinen Posten zu verlassen, zu rennen, in Eleanors Flieger zu klettern, was mich veranlaßte, mir einen Weg durch den Sturm zu bahnen, zu jener ganz bestimmten Szene.
    Ich kam nicht rechtzeitig.
    Ich werde nie vergessen, wie froh ich war, daß ein anderer rechtzeitig gekommen war. Johnny Keams signalisierte mir mit seinen Scheinwerfern und rief mir über Radio zu:
    „Schon gut. Alles in Ordnung. Auch die Puppe.“
    „Gut“, sagte ich und kehrte um.
    Als ich die kleine Maschine auf dem Balkon aufsetzte, kam eine Gestalt auf mich zu. Es war Chuck. Er hielt eine Waffe in der Hand.
    „Ich will dich nicht töten, Juss, aber verwunden schon. Dreh dich um. Ich nehme den Flieger.“
    „Bist du wahnsinnig?“ fragte ich ihn.
    „Ich weiß, was ich tue. Ich brauche den Flieger, Juss.“
    „Nun, wenn du ihn brauchst, da ist er. Du brauchst mich nicht mit der Waffe zu bedrohen. Ich bin gerade fertig geworden. Nimm ihn dir.“
    „Lotti und ich brauchen ihn“, sagte er. „Dreh dich um.“
    Ich drehte mich zur Wand.
    „Was soll das heißen?“ fragte ich.
    „Wir gehen beide weg, zusammen – jetzt!“
    „Du bist verrückt“, sagte ich. „Jetzt ist nicht die Zeit …“
    „Komm, Lotti“, rief er.
    Hinter mir hallten Schritte, und ich hörte, wie die Tür des Fliegers geöffnet wurde.
    „Chuck!“ sagte ich. „Wir brauchen dich jetzt! Du kannst die ganze Angelegenheit friedlich erledigen, in einer Woche, in einem Monat, wenn wieder etwas Ordnung hier herrscht. Schließlich gibt es doch Scheidungen.
    „Damit komme ich nicht von dieser Welt, Juss.“
    „Und wie dann?“
    Ich drehte mich um

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