Die Türme der Mitternacht
kannte zweifellos alle Geschichten. Dann zog sich Dyelin zusammen mit Galad und Meister Norry zurück. Morgase warf Birgitte einen Blick zu, sobald sich die Tür hinter ihnen schloss; die Behüterin war als Einzige geblieben.
»Ich vertraue ihr wie einer Schwester, Mutter«, verkündete Elayne. »Manchmal eine unerträgliche ältere Schwester, trotzdem eine echte Schwester.«
Morgase lächelte, dann stand sie auf, ergriff Elayne bei den Händen und zog sie in eine Umarmung. »Ach, meine Tochter«, sagte sie mit Tränen in den Augen. »Sieh doch nur, was du alles erreicht hast! Die rechtmäßige Königin!«
»Du hast mich gut unterrichtet, Mutter«, erwiderte Elayne. Sie löste sich von ihr. » Und du bist Großmutter! Oder wirst es zumindest bald sein!«
Morgase runzelte die Stirn und schaute auf ihren Bauch. »Ja, das habe ich mir schon gedacht, so wie du aussiehst. Wer…?«
»Rand«, sagte Elayne errötend, »obwohl das nicht allgemein bekannt ist, und es wäre mir lieber, es bliebe auch so.«
»Rand al’Thor …« Morgases Stimmung verfinsterte sich. »Dieser…«
»Mutter«, unterbrach sie Elayne und ergriff ihre Hand. »Er ist ein guter Mann, und ich liebe ihn. Was auch immer du gehört hast, sind Übertreibungen oder böse Gerüchte.«
»Aber er … Elayne, ein Mann, der die Macht lenken kann, der Wiedergeborene Drache!«
»Und trotzdem ein Mann«, sagte Elayne und fühlte das Bündel seiner Gefühle im Hinterkopf. Es war so warm. »Ein einfacher Mann, obwohl man so viel von ihm verlangt.«
Morgases Lippen wurden zu einem dünnen Strich. »Ich werde mein Urteil zurückstellen. Obwohl ich im Grunde noch immer der Ansicht bin, dass ich diesen Jungen in dem Augenblick, in dem wir ihn auf dem Palastgelände ertappten, in den Kerker hätte werfen sollen. Mir hat schon damals nicht gefallen, wie er dich ansah.«
Elayne lächelte, dann deutete sie wieder auf die Stühle. Morgase setzte sich, und dieses Mal nahm Elayne den Stuhl neben ihr und ließ die Hände ihrer Mutter nicht los. Sie spürte Birgittes Belustigung, die mit dem Rücken an der gegenüberliegenden Wand lehnte, das eine Knie gebeugt, sodass ihre Stiefelsohle auf der Holzvertäfelung auflag.
» Was?«, fragte Elayne.
»Nichts«, erwiderte Birgitte. »Es ist gut zu sehen, dass ihr euch wie Mutter und Tochter benehmt oder zumindest wie zwei Frauen, statt euch wie zwei Pfosten anzustarren.«
»Elayne ist die Königin«, sagte Morgase steif. »Ihr Leben gehört ihrem Volk, und meine Ankunft drohte ihre Thronfolge in Gefahr zu bringen.«
»Sie könnte immer noch für Unruhe sorgen, Mutter«, sagte Elayne. »Dein Kommen könnte alte Wunden öffnen.«
»Ich werde mich entschuldigen müssen. Vielleicht Entschädigungen anbieten.« Morgase zögerte. »Eigentlich hatte ich fortbleiben wollen, Tochter. Es wäre besser gewesen, wenn die, die mich noch immer hassen, mich weiterhin für tot halten. Aber …«
»Nein«, sagte Elayne schnell und drückte ihre Hände. »So ist es besser. Wir müssen die Sache einfach nur geschickt und vorsichtig angehen.«
Morgase lächelte. »Du machst mich stolz. Du wirst eine wunderbare Königin sein.«
Elayne musste sich zwingen, mit dem Strahlen aufzuhören. Ihre Mutter war nie besonders freigebig mit Komplimenten gewesen.
»Aber bevor wir weitersprechen, verrate mir eins«, sagte Morgase etwas zögerlich. »Ich habe Berichte gehört, nach denen Gaebril…«
»Er war Rahvin.« Elayne nickte. »Es stimmt, Mutter.«
»Ich hasse ihn für das, was er tat. Ich kann ihn noch immer sehen, wie er mich benutzte und die Loyalität und die Herzen meiner engsten Freunde verdarb. Und doch gibt es einen irrationalen Teil von mir, der sich nach ihm sehnt.«
»Er hat dich mit einem Zwang belegt«, sagte Elayne leise. »Es gibt keine andere Erklärung. Wir werden sehen müssen, ob das jemand aus der Weißen Burg Heilen kann.«
Morgase schüttelte den Kopf. »Was auch immer es war, es ist mittlerweile nur noch schwach. Ich habe einen anderen gefunden, dem ich meine Zuneigung geben kann.«
Elayne runzelte die Stirn.
»Das erkläre ich ein anderes Mal«, sagte Morgase. »Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich es schon verstehe. Zuerst müssen wir entscheiden, was wir wegen meiner Rückkehr machen. «
»Das ist einfach«, sagte Elayne. »Wir feiern!« »Ja, aber…«
»Kein Aber, Mutter. Du bist zu uns zurückgekehrt! Die Stadt, die ganze Nation wird feiern.« Elayne zögerte. »Und danach finden wir ein wichtiges Amt für
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