Die Türme der Mitternacht
Als die Boten mit Failes Nachricht über den Trick mit der geworfenen Erde in dem Teil des Lagers eintrafen, in dem sich die Asha’man aufhielten, hatten sie dort beträchtlich weniger Chaos vorgefunden. Grady und Neald schritten durchs Lager und schalteten jede Waffe aus, der sie begegneten.
Der Prozess war zum Teil wegen der nötigen Heilung verschoben worden. Aber es hatte noch andere gravierende Gründe gegeben; Perrin hatte den Lagerschmieden genügend Zeit geben wollen, Ersatzwaffen für jene herzustellen, die sie verloren hatten, nur für den Fall, dass die Verhandlung mit einer Schlacht endete. Wovon Faile immer mehr überzeugt war.
»Lord Perrin wird es nicht gefallen, aus dem Kampf gezerrt zu werden«, meinte Dannil. »Gar nicht gefallen.«
»Dieses Zelt könnte sich in eine Todesfalle verwandeln«, sagte Faile. »Perrin kann die Schlacht führen, wenn er will, aber von einer sichereren Position. Ihr schafft ihn dort raus.«
Dannil seufzte, nickte aber. »Ja, meine Lady.«
Perrin lernte, Junger Bulle nicht zu fürchten.
Schritt für Schritt lernte er, das Gleichgewicht zu erringen. Wolf zu sein, wenn der Wolf gebraucht wurde; Mann zu sein, wenn der Mann gebraucht wurde. Er ließ sich von der Jagd vereinnahmen, behielt aber Faile - und sein Zuhause - stets in seinen Gedanken. Er ging auf der Schwertschneide, aber jeder Schritt machte ihn selbstsicherer.
Heute jagte er Springer, eine verschlagene und erfahrene Beute. Aber Junger Bulle lernte schnell, und über den Verstand eines Menschen zu verfügen brachte ihm Vorteile. Er konnte wie etwas oder jemand denken, der er nicht war.
Hatte es so bei Noam angefangen? Wohin würde dieser Weg des Verstehens führen? Da gab es ein Geheimnis, das Junger Bulle allein ergründen musste.
Ein Scheitern war unvorstellbar. Er musste lernen. Irgendwie hatte es den Anschein, dass er sich in der wachen Welt viel wohler fühlte, je selbstbewusster er im Wolfstraum wurde.
Junger Bulle rannte durch einen fremden Wald. Nein, einen Dschungel, mit herabhängenden Schlingpflanzen und breiten Farnen. Das Unterholz war so dicht, dass selbst eine Ratte sich kaum hätte durchquetschen können. Aber Junger Bulle verlangte, dass sich die Welt vor ihm öffnete. Schlingpflanzen rollten sich auf. Büsche beugten sich zurück. Farne machten den Weg frei, wie Mütter, die ihre Kinder aus dem Weg eines galoppierenden Pferdes rissen.
Er erhaschte einen Blick auf den vor ihm laufenden Springer. Seine Beute verschwand. Junger Bulle verringerte das Tempo nicht, raste über die Stelle, wo er eben noch gewesen war, und erwischte den Geruch von Springers Ziel. Junger Bulle versetzte sich auf eine baumlose, offene Ebene, deren Boden mit unbekannten Büschen bewachsen war. Seine Beute war eine Abfolge von Schemen in der Ferne. Junger Bulle folgte, und jeder Sprung trug ihn Hunderte Schritte weiter.
Innerhalb von Sekunden kamen sie zu einem gewaltigen Plateau. Seine Beute rannte die Flanke des Felssockels senkrecht hinauf. Junger Bulle folgte ihr und ignorierte, was »richtig« war. Er rannte, obwohl sich der Boden tief unter seinem Rücken befand, die Nase dem brodelnden Meer aus schwarzen Wolken zugewandt. Er setzte über Felsspalten hinweg, sprang abwechselnd von einer Seite einer tiefen Klamm zur anderen und erreichte die Oberseite des Plateaus.
Springer griff an. Junger Bulle war bereit. Er rollte sich ab und landete auf allen vieren, während seine Beute über seinen Kopf hinwegsetzte, über die Klippenkante hinausgetragen wurde, aber dann mit einem Aufblitzen verschwand und wieder am Klippenrand stand.
Junger Bulle wurde zu Perrin mit einem Hammer aus weichem Holz in der Hand. Im Wolfstraum waren solche Dinge möglich; ein Treffer dieses Hammers würde nicht schmerzen.
Perrin schwang die Waffe, und die plötzliche Geschwindigkeit der Bewegung ließ die Luft erzittern. Aber Springer war genauso schnell, wich aus. Er rollte sich ab und sprang mit gebleckten Zähnen auf Perrins Rücken. Perrin knurrte und versetzte sich, sodass er ein paar Fuß weiter von der Stelle stand, an der er sich eben noch befunden hatte. Springers Kiefer schnappte ins Leere, und Perrin schwang erneut den Hammer.
Plötzlich wurde Springer von dichtem Nebel eingehüllt. Perrins Hammer durchschlug ihn und traf den Boden. Er prallte ab. Perrin fluchte und fuhr herum. In dem Nebel konnte er nicht sehen, konnte Springers Geruch nicht erfassen.
Mach die Welt zu der deinen, Junger Bulle.
Perrin konzentrierte
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