Die Türme der Mitternacht
sich in Flüssigkeit.
Er landete aufplatschend im Meer. Schon wieder Wasser?, dachte er ärgerlich.
Dunkelrote Blitze zuckten über den Himmel und schleuderten tiefrotes Licht über die See. Jeder Ausbruch enthüllte schattenhafte Kreaturen, die unter den Wellen lauerten. Gewaltige Kreaturen, die im zuckenden roten Licht böse und sehnig erschienen.
Menschen klammerten sich an das, was von dem Schiff noch übrig geblieben war, schrien vor Angst und riefen nach ihren Angehörigen. Männer auf zerborstenen Planken, Frauen, die versuchten, ihre Säuglinge über Wasser zu halten, während gewaltige Wellen über ihnen zusammenschlugen. Leichen schaukelten wie Getreidesäcke auf und ab.
Die Kreaturen unter den Wellen schlugen zu, rissen Menschen von der Oberfläche weg und zerrten sie mit zuckenden Flossen und funkelnden, rasiermesserscharfen Zähnen in die Tiefe. Bald brodelte das Wasser mit einem Rot, das nicht von den Blitzen kam.
Wer auch immer diesen Albtraum träumte, hatte eine ganz besonders verdrehte Vorstellungskraft.
Perrin weigerte sich, sich davon vereinnahmen zu lassen. Er unterdrückte seine Furcht und schwamm nicht zu einer der Planken. Das ist nicht real. Das ist nicht real. Das ist nicht real.
Obwohl ihm das völlig klar war, wusste ein Teil von ihm dennoch, dass er in diesen Gewässern sterben würde. Diesen schrecklichen, blutigen Gewässern. Das Stöhnen der anderen überfiel ihn, und er sehnte sich danach, ihnen zu helfen. Er wusste, dass sie nicht real waren. Einfach nur Hirngespinste. Aber es fiel schwer.
Perrin erhob sich aus dem Wasser, die Wellen verwandelten sich wieder in festen Boden. Aber dann schrie er auf, als etwas sein Bein streifte. Blitze zerrissen den Himmel. Neben ihm versank eine Frau in der Tiefe, von unsichtbaren Rachen nach unten gerissen. Von Panik übermannt trieb Perrin einen Herzschlag später an einer völlig anderen Stelle wieder im Meer, einen Arm um ein Stück Treibgut geschlungen.
Das kam vor. Schwankte er auch nur einen Augenblick lang, ließ er es zu, den Albtraum als real zu betrachten, wurde er hineingezogen und in das schreckliche Mosaik gepresst. In der Nähe bewegte sich etwas im Wasser, und er paddelte erschrocken los. Eine der wogenden Wellen hob ihn in die Luft.
Das ist nicht real. Das ist nicht real. Das ist nicht real.
Das Wasser war so kalt. Wieder berührte etwas sein Bein, und er schrie auf und würgte, als er einen Mund voll Salzwasser verschluckte.
DAS IST NICHT REAL!
Er war in Cairhien, meilenweit vom Meer entfernt. Das war eine Straße. Hartes Kopfsteinpflaster am Boden. Aus einer Bäckerei in der Nähe kam der Geruch von backendem Brot. Die Straße wurde von kleinen, schmalen Eschen gesäumt.
Mit einem Aufbrüllen klammerte er sich an dieses Wissen, während die Menschen um ihn herum sich an die Wrackteile klammerten. Perrin ballte die Hände zu Fäusten, konzentrierte sich auf die Realität.
Da waren Pflastersteine unter seinen Füßen. Keine Wellen. Kein Wasser. Keine Reißzähne und Flossen. Langsam erhob er sich wieder aus dem Meer. Er trat hinaus und setzte den Fuß auf die Oberfläche, fühlte festen Stein unter dem Stiefel. Er fand sich auf einem kleinen schwebenden Steinkreis wieder.
Links von ihm schoss etwas Gewaltiges durch das Wasser, eine riesige Bestie, zum Teil Fisch, zum Teil Ungeheuer, der Rachen war so groß, dass ein Mann aufrecht hineinschreiten konnte. Die Zähne waren so groß wie Perrins Hand; Blut tropfte an ihnen herab.
Es war nicht real.
Die Kreatur zerplatzte zu einer Nebelwolke. Die Gischt traf Perrin und trocknete sofort. Um ihn herum krümmte sich der Albtraum, er verbreitete eine Blase der Realität. Die dunkle Luft, die kalten Wellen, die schreienden Menschen, alles verlief wie nasse Farbe.
Es gab keine Blitze - er sah nicht, wie sie seine Lider erhellten. Da war kein Donner. Er konnte die Erschütterungen nicht hören. Da waren keine Wellen, nicht in der Mitte des von Land umgebenen Cairhien.
Perrin riss die Augen auf, und der ganze Albtraum zerbrach, löste sich auf wie Frost im Frühlingssonnenschein. Die Gebäude kamen wieder zum Vorschein, die Straße kehrte zurück, die Wellen zogen ab. Der Himmel wurde wieder zu dem brodelnden schwarzen Sturm. In seinen Tiefen blitzte es wieder weiß und hell, aber es ertönte kein Donner.
Springer saß ein kurzes Stück entfernt auf der Straße. Perrin trottete zu dem Wolf. Natürlich hätte er die Distanz auch mit einem Sprung überwinden können, aber ihm
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