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Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Titel: Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonke Dragt
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Schweiß gebadet zu dem anderen Turm hinüberlief, ohne aufzusehen oder mich umzublicken.
    Ich hatte ihn erreicht. Noch eben an der dortigen Feuerleiter vorbei (die werde ich keinesfalls emporsteigen!) und durch die Türe gehuscht, die sich daneben befindet  – Gott sei Dank offen –, durch den langen, sehr schmalen Gang bis in die Halle mit den Kästchen, wo der Aufzug ist, dann wieder Treppen hinauf … Welche Etage? Die, von der aus ich das Meer sehen kann. Hat Wim schon gemerkt, dass ich entkommen bin? Weiß er wohl, dass ich hier bin?
    Ich wünschte mir, ein Wort zu kennen, mit dem ich mich selbst, den Turm und alles andere weit wegzaubern könnte – außerhalb der Reichweite von Wächtern und Verfolgern.
    Aber nein , das darf ich nicht denken, das ist gefährlich.
    Ich fand die richtige Galerie: Eine einzige Tür war verschlossen; vor dieser Tür hatte Téja, der Hund, gesessen und gewinselt und hinter ihr musste Herr Alva sein. Ich klopfte an, ich schlug mit den Fäusten dagegen, ich rief – aber niemand öffnete. Ich schaute zu dem Turm hinüber, von dem ich gekommen war … standen dort Menschen und sahen zu mir hinüber, an einem der Fenster, auf einem der Balkone? Die Sonne schien mir in die Augen und blendete mich; ich konnte es nicht mit Sicherheit sagen.
    Schließlich öffnete ich die nächste Tür und lief durch die Zimmer zur Rückseite; dann ging ich auf den Balkon und kletterte von dort aus auf den Nachbarbalkon, der zu dem Stückchen Turm gehört, in dem Herr Alva wohnt. Ich hatte mein Ziel erreicht: Es war dasselbe Zimmer, mit dem Bett auf dem Boden, mit der Lampe und der Kiste, und außerdem noch mit einem Tisch, einem Stuhl, einem kleinen Sofa und allem möglichen Kram, der lose herumlag, und mit den Lappen vor dem Fenster. Nur Herr Avla selbst war nicht da.
    Hier bin ich also. Herr Avla/Alva ist bis jetzt nicht gekommen. Ich habe versucht, seine Kiste zu öffnen, aber sie ist und bleibt verschlossen. Ich habe mir die übrigen Zimmer angesehen. Sie sind leer, nur dieses eine Zimmer und die Küche (?) sind benutzt. Auf der Anrichte neben dem Spülstein stand eine halb volle Flasche, aus der ich etwas getrunken habe; das hat mir sehr gut getan.
    Inzwischen ist es noch später und fast völlig dunkel geworden. Am besten mache ich die Lampe an, denn ich kann kaum mehr etwas sehen. Ich warte jetzt bestimmt schon stundenlang. Und fast die ganze Zeit über habe ich geschrieben – mit einem Stift, den ich hier auf dem Tisch gefunden habe. Mein eigener Stift liegt zu Hause; nein, nicht zu Hause, sondern bei den Davits. Téja .
    Ich habe die Flasche inzwischen ganz ausgetrunken und fühle mich merkwürdig verwirrt, duselig und zugleich hellwach. Ab und zu schließe ich die Augen in der Erwartung, ein ganz anderes Bild zu sehen, wenn ich sie wieder öffne. Aber das geschieht nicht.
    Ich höre Tritte. Ob er kommt?
    Endlich ist er da; er war keineswegs überrascht, mich hier zu sehen. Ich begann sofort, ihn mit Fragen zu überschütten, alles durcheinander; aber er sagte, ich solle still sein. »Du hast also dein Gedächtnis immer noch nicht wiedererlangt?«
    Ich sagte, dass ich gerade deswegen hergekommen sei. Er muss mir helfen, denn er kennt mich ja von früher.
    »Still, hör bitte auf! Ich kenne dich nicht besser als du mich. An die Zeit vor dem 30. Februar erinnere ich mich überhaupt nicht.«
    Freitag, 26. März
    Herr Avla stand zwischen mir und der Lampe; sein Kopf war umrahmt von seinem weißen Haar, durch das das Licht schimmerte. Ich konnte ihn nicht sehr deutlich sehen, aber seine Antwort klingt mir immer noch in den Ohren:
    »Ich erinnere mich an gar nichts – an überhaupt gar nichts! Kapiert?«
    Und das stimmt wirklich, es ist wahr. Er sagt, ich solle es mir nicht so zu Herzen nehmen. »Wir beide sitzen im selben Boot – ohne Gedächtnis und weit weg von unserem Heimatland.«
    So saßen wir gestern Abend ratlos beisammen und hatten alles vergessen. Die Worte »verfolgt und gefangen« wirbelten mir im Kopf herum. Ich muss sie wohl laut ausgesprochen haben, denn er fragte mich: »Hat dich auf dem Weg hierher jemand verfolgt?«
    »Ich fürchte, ja.«
    »Also doch. Aber gefangen sind wir deshalb noch lange nicht! Jedenfalls nicht in diesem Turm. Denn der Turm gehört uns.« Er beugte sich zu mir herüber und schaute mich durchdringend an. »Du hast meinen ganzen Wein ausgetrunken! Wir müssen etwas essen … Zum Glück hat mir Tom eine ganze Menge mitgegeben.«
    »Tom?«
    »Ja, mein

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