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Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Titel: Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonke Dragt
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alles??!! Das darf einfach nicht sein – ich will es nicht!
    Ich werde nicht zurückgehen. Ich kann es übrigens auch gar nicht (zum Glück!), selbst wenn ich es wollte. Denn ich kenne ja das WORT nicht.
    » Ich weiß das WORT«, sagte Herr Alva, »und ich werde es dir verraten.«
    Ich will es nicht wissen, nein, ich will es nicht wissen. Er hat es mir nicht gesagt. Aber ich habe Angst – jedes Mal wenn er mich ansieht oder seinen Mund aufmacht, habe ich Angst.
    Vielleicht ist er auch ein bisschen verrückt. Es kann gar keine andere Welt existieren als diese hier. Ich komme entweder aus Atlantis oder aus Engelland, und zwar mit dem Schiff übers Meer. Das andere Tagebuch ist Unsinn.
    Aber wie bin ich bloß auf den Strand gekommen, mit dem linken Schuh am rechten Fuß?

BEILAGE I: Aus den Aufzeichnungen des Thomas Alva 36)
    36) Die Überschrift stammt von Tom und enthält kein Datum; die Beilage selbst ist von dem alten Herrn Alva geschrieben. Es handelt sich um den Text, der auf einem der losen Blätter stand, die in Toms Notizbuch lagen (dem Büchlein, das das Originalmanuskript enthält). Meiner Meinung nach müssen einige dieser Blätter verloren gegangen sein.
    Als ich zum ersten Mal das WORT aussprach, schrieben wir das Jahr 1944 – das muss also vor 20 Jahren gewesen sein. In meiner eigenen Welt tobte damals ein Krieg; unser Land war besetzt, und ich wollte weg, koste es, was es wolle. Es ist mir tatsächlich geglückt; ich war hier – inter menses februarium et aprilem –, und ich erlebte nicht etwa ein exaktes Spiegelbild meiner wirklichen Welt, sondern eher ein verzeichnetes Bild oder, genauer gesagt, ein verbessertes Bild, denn hier war kein Krieg. Aber das war mir damals entfallen; ich war ohne jede Erinnerung. Ich glaube, ich fühlte mich noch verlorener als mein Namensvetter, der junge Tom Wit, als er hierher kam; in diesem Märzmonat habe ich vergebens nach meiner Abstammung und meiner Herkunft geforscht – ohne zu ahnen, welches Glück mir in den Schoß gefallen war: für kurze Zeit in einer Welt leben zu dürfen, die fröhlich, freundlich und friedlich war.
    Jetzt, da ich wiederum hier bin – nun schon zum vierten Mal –, erinnere ich mich an alle Einzelheiten dieses ersten Besuches und auch an diejenigen meiner späteren Aufenthalte hier. Dagegen weiß ich nichts von der Welt, aus der ich komme – außer den Dingen, die ich voller Staunen in meinen eigenen Tagebüchern lese; genauso, wie ich in Kürze dort ungläubig lesen werde, was ich hier aufschreibe. Es ist, als ob ich ein Doppelleben führte: In dem einen weiß ich nichts von dem anderen und doch sind beide wahr.
    Schon während meines ersten Aufenthaltes hier führte ich ein Tagebuch, aber das brauche ich jetzt nicht zu lesen. Ich bin damals über den Kanal nach England gefahren; deshalb landete ich, als ich am 1. April in meine eigene Welt zurückkehrte (anscheinend wusste ich damals das WORT, das mir jetzt einfach nicht einfallen will), ebenfalls wieder in England … allerdings in einem anderen England … Sie nannten mich dort einen »Englandfahrer« 37) ; sie hatten ja keine Ahnung, auf welchem Umweg ich dorthin gelangt war. Ich selbst übrigens auch nicht.
    37) Englandfahrer: So nannte man die Leute, die während der deutschen Besatzungszeit in den Niederlanden nach England flüchteten (siehe Van Dale: Großes Wörterbuch der Niederländischen Sprache).
    Selbst nachdem ich meine Aufzeichnungen gelesen hatte, die die Wahrheit meiner Hypothesen und die Macht des WORTES bewiesen, hat es weitere acht Jahre gedauert, bevor ich es wiederum wagte, die Reise hierher zu unternehmen. Jetzt bin ich zum vierten Mal hier, in dieser Welt, die sicher genauso wunderschön ist wie früher, in der jedoch Fremde wie Tom und ich nicht mehr erwünscht sind. Ist es meine (oder unsere?) eigene Schuld? Ehrlich gesagt werde ich niemals in der Lage sein, das, was ich hier + jetzt – inter menses februarium et aprilem – sehe, höre und erlebe, richtig zu beurteilen. Nie im Leben werde ich völlig begreifen, wie es hier ist; denn ich kann die beiden Welten nur vergleichen, indem ich meine Tagebücher lese. Dagegen kann ich niemals mit Sicherheit wissen, was ich in jenem Stück meines Lebens, das ich vergessen habe, gefühlt habe. Vielleicht schreibe ich nicht gut genug, vielleicht bin ich doch noch zu ungläubig.
    Aber wie es auch sei: Demnächst in meiner eigenen Welt werde ich keine einzige Erinnerung mehr an diese Welt haben. Und ich werde von neuem

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